Mythologie
Mythen, Sagen und Legenden waren beliebte Formen mittelalterlicher Literatur. Aus der Verschmelzung christlicher und heidnischer Traditionen entwickelten sich im Mittelalter verschiedene Schöpfungs- und Ursprungsmythen, Legenden und Volkserzählungen. Einige davon gingen auf die heidnische Kultur der griechisch-römischen Antike zurück, wie etwa der immens beliebte Mythos vom Trojanischen Krieg, oder auf eine jahrtausendalte Erzähltradition wie die Bibel. Wieder andere entwickelten sich aus teils historischen, teils fiktional überhöhten Erzählungen aus dem Frühmittelalter und rankten sich um Figuren wie König Artus und Karl den Großen.
Mythen waren, ähnlich moderner Fiktion, die „Erfindungen“, die sich die mittelalterlichen Europäer gegenseitig erzählten, um zu den tieferen Wahrheiten des Lebens vorzudringen oder um gesellschaftliche Bräuche, Institutionen und Tabus zu begründen. Bei Legenden und Sagen wiederum handelte es sich um hochstilisierte Nacherzählungen von Geschichten, in deren Mittelpunkt Menschen standen, die möglicherweise gelebt haben, über die jedoch wenig Wissen existierte – wie zum Beispiel Siegfried oder Agamemnon.
Obwohl durch das Mittelalter hindurch illuminierte Handschriften mit Darstellungen verschiedener Mythen, Legenden und Sagen gefertigt wurden, erwachte vor allem im Spätmittelalter und im Renaissance-Humanismus (als Fürstenhäuser ihre Abstammung von Helden aus Troja belegen wollten) ein neues Interesse an diesen alten Stoffen und führte zur ersten formalen Erforschung der Mythologie im Westen seit der Spätantike.