Prophezeiungen
Die Zukunft zu kennen – seit jeher übt diese Vorstellung eine besondere Faszination auf die Menschen aus, seien es Weissagungen über das Schicksal der Welt oder schlicht die Wettervorhersage für morgen. Im Gegensatz zu Astrologen, deren Vorhersagen auf den Bewegungen und Ausrichtungen der Sterne beruhen, legitimieren Propheten ihr Wirken dadurch, dass sie durch göttliche Eingebung oder durch den direkten Kontakt zu einer Gottheit zu ihrem Wissen kommen.
Die mittelalterliche Prophetie wurzelte sowohl in der griechischen Antike wie auch in der biblischen Tradition, was in manchen Werken, wie etwa in den Sibyllinischen Prophezeiungen, zu textlichen Verschmelzungen führte. Dieser Synkretismus von Heidentum und abrahamitischer Tradition entfaltete seine volle Wirkung in der Renaissance, als das Interesse an Werken aus der Antike seinen Höhepunkt erreichte. Propheten zählten im Mittelalter im weitesten Sinn zur Geistlichkeit und ihre Prophezeiungen (etwa über die Päpste) waren üblicherweise in christliche Ikonographie eingebettet. Rätselhafte Texte wie die Vaticinia Pontificum waren in der Regel mit fantasievollen Bildern ausgeschmückt, die ihre wundersamen Inhalte widerspiegelten und mit denen die Miniaturisten die volle Bandbreite für ihr kreatives Schaffens zeigen konnten.