Evangeliare

Luxuriöse Evangelienbücher zählen heute zu den wertvollsten illuminierten Prachthandschriften des Mittelalters, sowohl aufgrund ihrer Größe und ihres unvergleichlichen Buchschmucks als auch aufgrund der historischen und kunsthistorischen Bedeutung. Sie enthalten den Text der vier Evangelien, manchmal sogar in Goldtinte geschrieben, und waren in erster Linie für die öffentliche Zurschaustellung gedacht und für den Gebrauch während der Messfeier gedacht. Sie waren oftmals die gehüteten Schätze der Abtei oder Dombibliothek ihres Aufbewahrungsortes. Darüber hinaus kamen sie zum Einsatz bei Prozessionen und offiziellen Zeremonien, insbesondere bei Eidesleistungen.

Ihre größte Verbreitung und Blütezeit erlangten sie im Zeitraum zwischen dem 7. und 13. Jahrhundert, als prächtige Exemplare in den verschiedenen Stilen der insularen, karolingischen, ottonischen, romanischen und gotischen Kunst angefertigt wurden. Die Codices waren üblicherweise in monumentale Einbände gekleidet, die mit Gold, Elfenbein und Edelsteinen verziert wurden, während in ihrem Inneren Gold, Silber, hell leuchtende Farben, feinste Tinten (oft golden- oder silberfarbig) prangten und selbst das Pergament kostbar purpurgefärbt wae. Nur Könige, Kirchenfürsten und hochrangigste Mitglieder des Adels konnten sich derart aufwendige Manuskripte leisten. Gleichermaßen konnten nur die größten und wohlhabendsten Abteien, die Zugang zu den feinsten Materialien hatten und über die fähigsten Schreiber verfügten, Aufträge in einer solchen Größenordnung annehmen. Die Handschriften waren in ihrer Zeit Statussymbole, was sie heute zu wertvolle Quellen macht, um politische Netzwerke und andere Aspekte der mittelalterlichen Gesellschaft zu erforschen.

Veranschaulichung anhand einer Beispielseite

Buch von Lindisfarne

Incipit-Seite zum Matthäusevangelium

Diese prächtige Incipit-Seite enthält den (abgekürzten) ersten Vers aus dem Matthäusevangelium: *Liber generationis Iesu Christi filii David filii Abraham* (Das Buch der Abstammung Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams). Ursprünglich um 705 erschaffen, wurde im 10. Jahrhundert eine alte englische Übersetzung hinzugefügt, die in winziger Handschrift zu sehen ist.

Die Handschrift ist ein Meisterwerk insularer Buchmalerei mit zahlreichen klassischen Einflüssen und prägte den Stil des Genres der Evangeliare. Die von den Künstlern erstellte Farbpalette ist unglaublich. In Kombination mit dem endlos verschlungenen Flechtwerk, den wirbelnden Mustern und den Köpfen verschiedener Tiere ergibt sich gleichsam ein unerschöpfliches Universum an Mustern und Farben.