Speyerer Evangelistar
Das Speyerer Evangelistar ist eine außergewöhnliche Prunkhandschrift für die Zelebration der liturgischen Festtage im Dom zu Speyer und wurde um 1220 für Konrad IV. von Tann (1233–1236) geschaffen, der Beziehungen in die höchsten gesellschaftlichen Kreise unterhielt und später Bischof von Speyer wurde. Acht talentierte Buchkünstler aus Speyer oder Trier waren für das erstaunliche Bildprogramm aus 22 expressiven, goldgeschmückten Miniaturen und 70 kunstvollen Zierinitialen verantwortlich, das bis heute nicht an Strahlkraft und Farbintensität verloren hat. Es umfasst den heiligen Texten entsprechend Szenen des Neuen Testaments sowie ganzseitige Bildnisse der schreibenden Evangelisten und einen thronenden Christus. Bemerkenswerterweise ist zudem der außerordentlich kostbar gestaltete historische Prachteinband des opulenten Codex erhalten, auf dem Dutzende wertvolle Edelsteine und gravierte Silberplättchen eine vergoldete Christusfigur einfassen, die im 15. Jahrhundert wahrscheinlich das ursprüngliche Zentrum des Buchdeckels ersetzte.
Das Speyerer Evangelistar
Ein Evangelistar beinhaltet Lesungen aus den Evangelien, die nach den kirchlichen Festen geordnet im Gottesdienst vorgetragen wurden. Für die Festtagslesungen im Dom zu Speyer wurde ein wahrhaft einmaliges Evangelistar hergestellt, welches bis heute erstaunt. Das Speyerer Evangelistar besteht aus 154 Seiten mit 17 ganzseitigen, farbintensiven Miniaturen. Diese sind in 21 einzelne Bilder unterteilt und stellen Szenen des Neuen Testaments dar. Hinzu kommen vier ganzseitige Darstellungen der vier Evangelisten und Christi sowie 70 reich ausgestattete Bildinitialen. Der überaus prächtige Einband des Codex unterstreicht seine Bedeutung für das Bistum Speyer und macht das Werk zu einer der schönsten Handschriften der deutschen Spätromanik.
Eine gelungene Zusammenarbeit
Der Auftrag zum Speyerer Evangelistar wurde etwa 1220 vom späteren Bischof von Speyer, Konrad IV. von Tann, erteilt. Dieser wollte ein Vorzeigewerk für seinen Dom entstehen lassen, das für den Festtagsgebrauch bestimmt sein sollte. Insgesamt lassen sich acht beteiligte Künstler unterscheiden. Für die Schrift, in der besonders wichtige Passagen golden, blau oder rot-schwarz hervorgehoben wurden, waren fünf Schreiber verantwortlich. Diese stammten wohl aus einem gebildeten klösterlichen Umfeld. Die außergewöhnlichen Miniaturen und Schmuckinitialen entstammen den Händen dreier sagenhaft talentierter Meister aus Speyer oder Trier, die mit ihrer Malerei neue Maßstäbe setzten.
Neue kreative Einflüsse
Im frühen 12. Und 13. Jahrhundert setzten sich deutsche Buchmaler stark mit den künstlerischen Errungenschaften aus dem Mittelmeerraum und dem byzantinischen Kulturkreis auseinander. Das liegt an den Kreuzzügen und den Herrschaftssitzen der Staufer in Italien. Diese neuen künstlerischen Strömungen beeinflussten die abendländische Kunst stark und veränderten ihren Stil und ihre Ästhetik dauerhaft. Auch die Maler des Speyerer Evangelistars integrierten byzantinische Impulse in ihre Malerei. Sie achteten mit größter Sorgfalt auf individuelle Gesichtszüge ihrer Figuren, stellten meist mehrere Personen im Gespräch zueinander dar, achteten auf realistische Wiedergabe von Gewändern und erzielten Fortschritte in der anatomisch korrekten Darstellung von Menschen. Sie nehmen auch völlig neue Bildkompositionen in ihr Werk auf, beispielsweise wird die Geburt Christi nicht in einem Stall, sondern in einer Höhle dargestellt. Mit kräftigen Farben unterstrichen sie die Lebendigkeit und Plastizität ihrer Miniaturen. Die Bildhintergründe sind meist in einem intensiven Blau gehalten, das mit hochglänzend poliertem Gold in fast jeder Darstellung einen effektvollen Kontrast bildet.
Unermesslicher Reichtum an Buchschmuck
Auch die Initialen des Werkes gehen hinaus über die üblichen dekorierten Großbuchstaben, viel eher bilden die 70 Initialen eigenständige Miniaturen. Sie stellen Szenen aus ausgewählten Bibellesungen bildhaft dar und greifen ebenso wie die Miniaturen byzantinische Motive auf, beispielsweise die Illustration der Waschung des Christkindes. Das kostbarste Element des Speyerer Evangelistars ist jedoch sein monumentaler Einband. Er besteht aus über 150 Einzelteilen. Eine vergoldete Silberfigur des thronenden Jesus Christus wurde mittig eingelassen, welche umrahmt ist von unzählbaren reliefartigen Goldverzierungen und Edelsteinen. In sogenannter Niellotechnik wurden in Silber gefasste Steinchen aufgeschmolzen. Schmucksteine aus aller Welt befinden sich auch dem Einband, darunter sind Amethysten, Lapislazuli, Achate und Bergkristalle. Nur sehr wenige Handschriften aus dem 13. Jahrhundert besitzen heute noch ihren originalen Einband. Auch der Einband in Speyer musste vermutlich im 15. Jahrhundert erneuert werden, bei welcher Gelegenheit die vergoldete Jesusfigur als Ersatz für eine vorherige Figur eingesetzt wurde und dem Werk ein goldener Rahmen hinzugefügt wurde.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- Speyerer Perikopenbuch
Speyer Pericopes
L’Évangéliaire de Spire - Umfang / Format
- 154 Seiten / 33,2 × 25,3 cm
- Herkunft
- Deutschland
- Datum
- Um 1220
- Epoche
- Stil
- Sprache
- Schrift
- Gotisch
- Buchschmuck
- 17 ganzseitige Miniaturen aus 21 Einzelbildern, 5 ganzseitige Bildnisse der Evangelisten und Christi und 70 reich verzierte historisierte Initialen
- Auftraggeber
- Konrad IV. von Tann, Bischof von Speyer (1233–1236)
- Künstler / Schule
- Drei Meister aus Speyer oder Trier
Speyerer Evangelistar
Portrait von Johannes des Evangelisten
Johannes wird hier als bärtiger Mann fortgeschrittenen Alters dargestellt, der seine Augenbrauen nachdenklich zusammengezogen hat. Mit einem goldenen, ornamentierten Nimbus attribuiert sitzt er vor einem Schreibpult, auf dem ein aufgeschlagenes Buch liegt, welches er mit Stilus und Radiermesser bearbeitet. Ein Adler mit farbenprächtigem Gefieder – das Symboltier des Evangelisten – hat sich scheinbar gerade auf dem Lektionar niedergelassen, um Johannes bei seiner Schreibertätigkeit zu assistieren.
Speyerer Evangelistar
Anbetung der Könige
Diese dynamische Miniatur ist in zwei Register aufgeteilt, wobei die Szene im unteren Register zeitlich vor dem oberen Register liegt. Geleitet von dem Stern von Bethlehem, der sich außerhalb des Rahmens befindet, reiten die Könige bei Nacht aus dem Osten durch die Berge, was daran ersichtlich ist, dass ihre Kronen blau sind. Sie sind in zeitgenössischer Mode des Hofes mit schwarzen Beinkleidern und farbenfrohen, fließenden Gewändern gekleidet.
Das obere Register zeigt die dagegen häufig dargestellte Szene der Heiligen Drei Könige, die dem Jesuskind und der Jungfrau Maria ihre Gaben überreichen. Beide machen bedeutungsvolle Gesten, die ein Zeichen des Segens sein sollen. Eine Krippe ist nicht zu sehen und auch die Umgebung von Mutter und Kind entspricht nicht ganz den bescheidenen Verhältnissen, die in den Evangelien beschrieben werden. Stattdessen thront Maria wie eine Königin und nimmt die Ehrerbietung der Vasallen entgegen, die ihrem neugeborenen König huldigen.
#1 Speyerer Evangelistar
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