Judentum

Das Judentum hat eine der ältesten Schrifttraditionen der Welt und hebräische Handschriften zählen, nicht zuletzt aufgrund ihrer meisterhaften Kalligraphie,  zu den faszinierendsten Beispielen mittelalterlicher Buchkunst. Leider ist uns nur ein verhältnismäßig kleiner Teil des jüdischen Handschriftenerbes überliefert, doch ist dieser von unschätzbarem Wert für Wissenschaftler aller Couleur: für Theologen, Linguisten, Kunsthistoriker und Kulturhistoriker, wie auch für alle diejenigen, die sich für die reichhaltige Buchkultur des Judentums interessieren.

Die Mehrheit der Texte, wie beispielsweise die bedeutende Kennicott-Bibel, sind religiöser Natur. Aber es gibt auch prägende sekulare Werke, etwa die hebräischen Übersetzung des  Canon Medicinae Avicenna, eines weit verbreiteten medizinischen Lehr- und Nachschlagewerks. Einige dieser Handschriften enthalten überdies Zeugnisse einer aufkeimenden weltlichen jüdischen Literaturtradition, die sich erst in der frühen Neuzeit entfalten sollte. Nur wenige Manuskripte vereinen in sich eine vergleichbar hohe künstlerische und historische Aussagekraft wie diese einzigartigen Artefakte mittelalterlicher jüdischer Kultur.

Veranschaulichung anhand einer Beispielseite

Rothschild-Haggadah

Motzi Matzo und Maror

Diese kunstvoll gestaltete Seite integriert Miniaturen so in den Text, dass sie dem Leser das Gefühl vermittelt, von einem Teil des Pessach-Seders zum nächsten zu schreiten. Hier sehen wir zwei der wichtigsten Teile des ritualisierten Mahles: den *Motzi Matzo* (oder „Segen der Matzah“, links) und den *Maror* (oder die „bitteren Kräuter“, rechts), die wiederum gesegnet und dann gegessen werden.

Dieser 1479 in Auftrag gegebene norditalienische Renaissance-Codex ist ein beispielhaftes Exemplar der jüdischen Handschriftentradition, die sich insbesondere durch ihre Kalligraphie auszeichnet: Der akkurat und geschickt arrangierte hebräische Text sieht aus, als wäre er schon gedruckt worden. Lebensnahe menschliche Figuren mit detaillierten Gesichtszügen und natürlichen Gesten sowie die großzügige und zugleich gezielte Verwendung von Blattgold machen die Seite zu einem Meisterwerk.