Drogo-Sakramentar
Benannt nach Drogo, dem unehelichen Sohn Karls des GroĂen (742â814), dem Bischof von Metz und groĂen Kunstmäzen des 9. Jahrhunderts, ragt dieses Sakramentar aus der Gruppe der karolingischen Handschriften aus mehreren GrĂźnden hervor: Es wurde im Auftrag von Drogo fĂźr seinen eigenen episkopalen Gebrauch von hĂśchstens drei KĂźnstlern hergestellt, und zwar auĂeralb eines klĂśsterlichen Skriptorium als Produkt der Hofkunst. Es enthält neben der einzigartigen SchĂśnheit der figĂźrlichen Darstellungen und der oft mit Gold gewonnenen Klarheit des Textes eine Initiale, die fĂźr die Geschichte der Ikonograpie von besonderem Wert ist: Die Initiale zum Palmsonntag zeigt das frĂźheste Beispiel einer mehrfigurigen Kreuzigungsdarstellung. Unter dem Kreuz Christi kommen das Alte und das Neue Testament zu stehen. Die Besonderheit: Das Alte Testament als Sinnbild fĂźr das Judentum wird hier in keiner Weise abwertend dargestellt, wie es sonst so häufig der Fall war.
Eine der vollendetsten karolingischen Handschriften
Zu den grĂśĂten Schätzen der Bibliothèque nationale in Paris gehĂśrt eine Handschrift, die eines der schĂśnsten Denkmäler der karolingischen Buchkunst Ăźberhaupt darstellt. Es handelt sich hierbei um ein Sakramentar, das Bischof Drogo (823â855) fĂźr seinen eigenen Gebrauch schreiben und malen lieĂ und das zum Denkmal seines Namens geworden ist.
Drogo, der illegitim geborene Sohn Karls des GroĂen, war einer der bedeutendsten Mäzene des 9. Jh.s. Er hat als groĂer Kunstliebhaber BerĂźhmtheit erlangt, nicht zuletzt, da er seine Kathedrale in Metz mit Werken ausstattete, die in ihrer SchĂśnheit und Kostbarkeit zu den HĂśhepunkten der karolingischen Kunst zählen. Dazu gehĂśren auch drei Handschriften, deren jĂźngste und zugleich reifste und vollendetste SchĂśpfung das Drogo-Sakramentar ist.
Ein erlesenes Kunstwerk
Das Drogo-Sakramentar hat einen sehr persÜnlichen Charakter und ist sicher nicht das Produkt eines monastischen Skriptoriums, wo Handschriften fßr die praktischen Bedßrfnisse einer geistlichen Anstalt oder fßr den Export angefertigt wurden. Vielmehr haben wir es hier mit einer ausgesprochenen Hofkunst zu tun. Das Sakramentar spiegelt den individuellen, sehr kultivierten Charakter eines Auftraggebers wider, der Kßnstler und Schreiber beschäftigte, die seinen hohen Ansprßchen genßgten.
Nur wenige KĂźnstler â kaum mehr als zwei oder drei â arbeiteten an der Ausstattung dieser Handschrift und vereinten Ornamentik, figĂźrliche Darstellungen und verschiedene Schriftarten zu einer Gesamtkomposition, die sich durch eine einzigartige SchĂśnheit und Klarheit in der Gliederung des Textes auszeichnet.
Die Initialen
Ein wesentliches Schmuckelement des Sakramentars stellen die reich verzierten Initialen dar, die mit dem Text in Verbindung stehen. In ihrer einfacheren Ausstattung bestehen sie aus goldenen Blättern und Ranken, die sich um den BuchstabenkĂśrper schlingen. Die grĂśĂeren Buchstaben und die ganzseitigen Prachtinitialen hingegen stehen in einem direkten Bezug zum Inhalt des Textes, den sie einleiten. Sie stellen historische Szenen aus dem Leben Jesu und der Heiligen dar und sind mit antiken Formen wie Weinranken, Architekturelementen und spielenden Eroten phantasievoll geschmĂźckt.
Engste Verwandtschaft mit diesen Initialen zeigen die Elfenbeinreliefs des Einbandes, der die Originalhandschrift schĂźtzt und im Kommentarband zur Faksimile-Ausgabe abgebildet ist. Auf ihnen sind teilweise die gleichen Szenen dargestellt wie in den Miniaturen, indem die gleichen Architekturelemente sowie Ăśfters auch Personen in der gleichen Stellung und Kleidung wieder begegnen.
Ein fĂźr die Ikonographie bedeutendes Werk
Eine besondere Bedeutung fßr die Geschichte der Buchmalerei und besonders fßr die Ikonographie hat die Initiale zum Palmsonntag mit der Darstellung der Kreuzigung Christi (fol. 43v). Es ist das frßheste Beispiel einer mehrfigurigen Kreuzigungsdarstellung in der karolingischen Buchmalerei. Hier erscheinen unter dem Kreuz zum ersten Mal zwei allegorische Figuren, die das Neue und das Alte Testament repräsentieren. Auffallend ist, dass dabei das Judentum nicht abwertend dargestellt ist, wie das später fast immer der Fall war. Vielmehr fßgt sich der alte Mann als Vertreter des Judentums positiv in die Szene ein, indem er auf die Erfßllung des Prophetenwortes und den Besieger des Todes hinweist, während Ecclesia als Allegorie der christlichen Kirche in einem Kelch das Blut aus der Seitenwunde Christi auffängt.
Der Kelch als Attribut der Ecclesia tritt hier zum erstenmal auf und ist rein christlichen Ursprungs, während die hasta signifera, die Lanze mit der Fahne als Feldzeichen, welche Ecclesia in der linken Hand hält, auf die Antike zurßckgeht und ein Zeichen der Herrschaft ist. Ebenso ist die Scheibe, die der Greis in seiner Hand hält, ein Herrschaftszeichen. Sie stellt den Erdkreis dar und ist eine Vereinfachung der Kugel als Sinnbild des Kosmos, die seit der rÜmischen Kaiserzeit Attribut der Weltherrschaft war.
Ein kalligraphisches Kunstwerk
Der liturgische Text ist auĂerordentlich sorgfältig geschrieben, wobei verschiedene Schriftarten verwendet wurden. Zur Minuskelschrift des fortlaufenden Textes treten in allen Abschnitten goldfarbene Kapitalen, Capitalis rustica und Uncialis, hinzu und tragen so nicht nur zur Betonung einzelner Passagen, sondern auch zu einer klaren graphischen Gliederung des Textes bei.
Das eigentliche HauptstĂźck des Sakramentars, der Canon missae (fol. 14râ21r), wird durch einen Schmuck von ganz auĂerordentlichem Reichtum hervorgehoben, indem hier besonders zahlreiche goldene Initialen, figĂźrliche Darstellungen sowie aufwendige Rahmungen vor Augen treten und der Text durchgehend in glänzenden Goldbuchstaben geschrieben ist.
Das persĂśnliche Sakramentar des Bischofs Drogo
Das Sakramentar war nicht zur allgemeinen Benßtzung fßr alle Tage des Kirchenjahres bestimmt, sondern nur fßr die Benßtzung durch den Bischof. Es enthält daher nur jene Feste, an denen der Bischof selbst den Gottesdienst feierte, dafßr aber auch die Gebete fßr die Sakramente und Weihungen, die dem Bischof vorbehalten sind.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- Drogo Sacramentary
Sacramentaire de Drogon - Umfang / Format
- 260 Seiten / 26,5 Ă 21,5 cm
- Herkunft
- Frankreich
- Datum
- Um 850
- Epoche
- Stil
- Sprache
- Buchschmuck
- 41 historisierte Initialen mit innovativen Szenen sowie zahlreiche kleinere Zierinitialen und ornamentale Textseiten mit Goldtinte
- Inhalt
- Gebete und andere Texte, die von Bischof Drogo vorgetragen werden
- Auftraggeber
- Drogo, Bischof von Metz (823â855)
Drogo-Sakramentar
Portrait vom Evangelisten Johannes
Diese grĂźn-goldene E-Initiale ist ein beispielhaftes Exemplar karolingischer Kunst mit fein gewundenen Ranken und den beiden kleinen Medaillonportraits, die in den Buchstaben eingebettet sind. Unten schreibt Johannes fleiĂig an seinem Schreibtisch und arbeitet an seinem Evangelium, während der Heilige Geist, dargestellt durch eine weiĂe Taube, ihn mit gĂśttlicher Inspiration erfĂźllt. Sein Symbol - ein Adler mit Heiligenschein - befindet oberhalb in der historisierten Initiale. Der elegant in Goldtinte geschriebene Text zeugt darĂźber hinaus von der Qualität dieser Handschrift.
Drogo-Sakramentar
Incipit-Seite, Kanon der Messe
Dieses karolingische Manuskript ist berĂźhmt fĂźr seine Initialen, von denen eine wunderbare Auswahl auf der vorliegenden Incipit-Seite zu finden ist. Es formuliert das erste Wort der Messe CLEMENTISSME oder âbarmherzigâ, in groĂen, komplizierten Initialen, die ihres Auftraggebers, eines mächtigen Bischofs und unehelichen Sohns Karls des GroĂen (747â814), wĂźrdig sind. Die Seite macht den Betrachter durch die aufwendige Blattgoldapplikation fast blind.
Die Buchstaben sind entweder grĂźn oder rot gefĂźllt, was fĂźr sich genommen schon teure Farben waren. Diese Farben fallen jedoch wegen der Ăźberbordenden Verwendung des Blattgoldes auf der Seite kaum auf. Obwohl sie einige insulare Flechtwerk-Muster enthalten, sind die Reben, die sich um die Buchstaben winden, eindeutig im Stil eines in rĂśmischen Friesen gefundenen Rankenwerks gehalten.
#1 Das Drogo-Sakramentar
Details zur Faksimile-Edition:
Sprachen: Deutsch, FranzĂśsisch
Der Kommentar, der von Wilhelm Koehler verfasst wurde, enthält neben einer allgemeinen Einleitung eine EinfĂźhrung in die Geschichte und Entstehung des Sakramentars. Weiters werden die Zusammenstellung und Ausstattung sowie der Inhalt der Handschrift kurz erläutert, und schlieĂlich wird in einem Ăberblick die Literatur zusammengefasst. In Deutsch oder FranzĂśsisch lieferbar.
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