Alexanderroman aus Trapezunt
Der Alexanderroman aus Trapezunt ist eine der opulentesten und am besten erhaltenen weltlichen byzantinischen Handschriften ĂŒberhaupt. Sie entstand im Auftrag Kaiser Alexiosâ III. in der zweiten HĂ€lfte des 14. Jahrhunderts am kaiserlichen Hof von Trapezunt und sollte nicht nur die legendĂ€re Geschichte Alexanders des GroĂen in einen schmuckvollen Rahmen bringen. Vielmehr zeigt sich in dem opulenten Bildprogramm darĂŒber hinaus eine bewusste Inszenierung Alexios III. als Nachfolger und âErbeâ des antiken Königs, der fĂŒr viele mittelalterliche Herrscher als Ideal fungierte. Obwohl die Handschrift deutliche Spuren seiner wechselvollen Besitzergeschichte trĂ€gt, hat es kaum etwas von seinem alten Glanz verloren und strahlt noch immer den intendierten höfischen Machtanspruch aus.
Ein Literaturklassiker
Der sogenannte Alexanderroman enthĂ€lt die pseudohistorische Legende der Biografie des makedonischen Königs Alexanders des GroĂen (356â323 v. Chr.). Dabei wird vor allem von seinen zahllosen KĂ€mpfen und den militĂ€rischen Erfolgen bei der Ausdehnung seines Herrschaftsgebietes berichtet. Insbesondere im Mittelalter erfreute sich der Text groĂer Beliebtheit und seine weite Verbreitung und die vielen Ăbersetzungen trugen dazu bei, dass sich mit der Zeit verschiedene Versionen der Geschichte herausbildeten â Viele davon âchristianisiertenâ den antiken Text und machten Alexander zu einem Ideal und Vorbild christlicher Herrscher.
Die griechische Abschrift aus dem Istituto Ellenico birgt eine besonders ausfĂŒhrliche Fassung des traditionsreichen Textes und wurde wahrscheinlich von einem unbekannten Schreiber in der zweiten HĂ€lfte des 14. Jahrhunderts am kaiserlichen Hof von Trapezunt fĂŒr Kaiser Alexios III. (1338â1390) gefertigt.
Hohe Kunst fĂŒr politische Propaganda
Das Kaiserreich Trapezunt mit seiner gleichnamigen âHauptstadtâ war ein Nachfolgestaat des Byzantinischen Reichs, der nach der Eroberung Konstantinopels im Vierten Kreuzzug 1204 gegrĂŒndet wurde. Er umfasste das heute als Pontos bekannte und vormals byzantinische Gebiet an der sĂŒdlichen KĂŒste des Schwarzen Meeres. Alexios III. 41-jĂ€hrige Herrschaft begann, als er 1349 den Thron des kleinen Kaiserreichs an sich brachte. Er ĂŒbernahm dabei ein Reich, dass sich in einem bĂŒrgerkriegsĂ€hnlichen Zustand befand, den er daraufhin mit allen Mitteln zu befrieden suchte. Sein Ziel war es, an alte Glanzzeiten aus den AnfĂ€ngen des Reichs anzuknĂŒpfen und wieder politisches Ansehen in der Region zu gewinnen, um sich gegenĂŒber Konstantinopel zu behaupten.
Diese Bestrebungen zeigen sich auch im prĂ€chtigen Alexanderroman: In dessen Bildprogramm erscheint Alexios III. als Nachfolger und âErbeâ Alexanders des GroĂen, dessen Geschichte ja eigentlich in der Handschrift erzĂ€hlt wird. Damit wird zudem eine KontinuitĂ€t zwischen dem mĂ€chtigen Alexanderreich der Antike und dem Kaiserreich Trapezunt dargestellt, die Alexios Machtansprach zusĂ€tzlich legitimieren sollte. Besonders deutlich wird dies zum einen in den Darstellungen des antiken Herrschers im byzantinischen Kaisergewand, also als byzantinischer Kaiser, aber auch in der GegenĂŒberstellung Alexanders und Alexios auf den ersten Seiten des Manuskripts. So befand sich einst zu Beginn des Codex ein PortrĂ€t des ersten, worauf die noch erhaltene, aber stark beschĂ€digte, frontale Darstellung Alexios III. folgte â heute fol. 1r.
LegendÀre Bilder in kaiserlichem Gewand
Die propagandistischen Details finden sich in nahezu allen 250 groĂformatigen Miniaturen, die von drei unbekannten Buchmalern auf nur 386 Seiten untergebracht wurden. Die expressiven und vielfigurigen Bilder lesen sich fast wie ein Comic und verschaffen dem Leser einen farbenfrohen Einblick in das geradezu mythische Leben Alexanders des GroĂen. Dabei werden seine Geburt, seine legendĂ€ren KĂ€mpfe mit schrecklichen Monstern, die zahlreichen Schlachten, seine Hochzeiten sowie sein Tod besonders fokussiert. Welche Szene was genau zeigt lassen Beschriftungen in roter Auszeichnungsschrift verlauten, die auch fĂŒr Titelzeilen und Initialen verwendet wurde.
Die dominanten Miniaturen nehmen meist etwa eine halbe Seite ein, wurden aber auch hĂ€ufig ganzseitig ausgefĂŒhrt und sind dann in der Regel in zwei Register geteilt. Die dynamischen, polychromen Szenerien entfalten sich in prĂ€gnanten roten Rahmen. Besonders auffĂ€llig ist die ĂŒppige Verwendung von Blattgold, das nicht nur fĂŒr jegliche HintergrĂŒnde eingesetzt wurde, sondern auch fĂŒr zahllose Details in den GewĂ€ndern der Figuren. Auch diese kostbare Ausstattung strahlt höfische Macht und politische Herrschaftslegitimation aus.
Zeugnis einer wechselvollen Geschichte
Der alte Glanz wohnt dem Manuskript noch heute inne, obwohl es deutliche Spuren seiner wechselvollen Besitzergeschichte trĂ€gt. Im Laufe der Zeit wurde nicht nur die Bindung und damit die Reihenfolge der Folios verĂ€ndert, sondern es gingen auch so manche verloren. Und die erhaltenen BlĂ€tter sind â teilweise aufgrund der genutzten Pigmente â korrodiert und die Tinte ist an vielen Stellen verblichen. Andererseits erhielt die wertvolle Handschrift auch einige ErgĂ€nzungen: Nachdem Trapezunt vom Osmanischen Reich 1461 erobert wurde, gelangte sie in die HĂ€nde osmanischer Besitzer, die den Miniaturen tĂŒrkische Beschriftungen in schwarzer Tinte beigaben. Danach taucht die Handschrift in den Quellen erst Anfang des 19. Jh. wieder auf und zwar in Venedig, wohin sie möglicherweise von Konstantinos Maroutses (Maruzzi) gebracht wurde, in dessen Besitz sie bis kurz nach seinem Tod im Jahr 1846 war. 30 Jahre spĂ€ter befand sie sich in der erzbischöflichen Bibliothek von San Giorgio dei Greci, 1879 war sie Teil der BesitztĂŒmer der griechischen Bruderschaft von Venedig. 1953 gelangte sie schlieĂlich in das neu eingerichtete Istituto Ellenico in Venedig.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- Codex 5 (The Venice Alexander Romance)
Trebizond Alexander Romance
Venice Alexander Romance
Codex Greacus 5 - Umfang / Format
- 386 Seiten / 32,0 Ă 24,0 cm
- Herkunft
- TĂŒrkei
- Datum
- Zweite HĂ€lfte des 14. Jahrhunderts
- Stil
- Genre
- Sprache
- Schrift
- Griechische Minuskel Naskh-Schrift
- Buchschmuck
- 250 Miniaturen, viele davon ganzseitig, und eine prĂ€chtig gestaltete Ăberschrift
- Inhalt
- Alexanderroman
- Auftraggeber
- Alexios III. Komnenos von Trapezunt (1338â1390)
- KĂŒnstler / Schule
- Pseudo-Kallisthenes (Autor)
- Vorbesitzer
- Konstantinos Maroutses
San Giorgio dei Greci
Confraternita greca di Venezia
Alexanderroman aus Trapezunt
Alexander und Bukephalos
Alexanders legendĂ€rers Pferd Bukephalos, was so viel wie 'ochsenköpfig' bedeutet, ist wohl eines der berĂŒhmtesten Tiere der Geschichte. Von Alexanders Vater Philipp II. gekauft, konnte es von niemandem gezĂ€hmt werden. Der 12-jĂ€hrige Alexander erkannte, dass das Pferd Angst vor seinem Schatten hatte und konnte es schlieĂlich reiten. Daraufhin begleitete ihn Bukephalos in all seine Schlachten. Dementsprechend ist der HeerfĂŒhrer auch im Alexanderroman aus Trapezunt hĂ€ufig auf seinem Ross dargestellt.
Alexanderroman aus Trapezunt
Alexander sendet Botschafter aus
Nach seiner ersten siegreichen Schlacht mit 15 entsendet der ĂŒbermĂŒtige Alexander im oberen Register Boten in alle möglichen Lande, um seine Forderung zu verkĂŒnden: die Unterwerfung der anderen Reiche. Nachdem die zwei Botschafter mit den auffĂ€lligen dreieckigen, roten HĂŒten mit runder Bommel das zu ĂŒberbringende Dokument von Alexander erhalten haben, machen sie sich rechts oben auf den Weg, wobei sie nicht sonderlich ĂŒberzeugt von ihrem Auftrag scheinen.
Das untere Register zeigt, dass die Bedenken der Boten gerechtfertigt waren: Sie wurden erhĂ€ngt. Alexanders Forderungen erzĂŒrnten vor allem die Tyrer, die ihre Stadt unter keinen UmstĂ€nden einfach so einem noch unbedeutenden Jungspund unterwerfen wollten. Diese Antwort liest Alexander wohl gerade in dem vor ihm entrollten SchriftstĂŒck.
#1 Codex 5 (The Venice Alexander Romance)
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