Die Jagd im Mittelalter: Vom aristokratischen Zeitvertreib zur knallharten Machtpolitik
Seit Urzeiten machen Menschen Jagd auf Tiere im Wasser und an Land, um sich zu ernähren. Der mittelalterliche Adel nutzte darüber hinaus seit dem 12. Jahrhundert einige aufwendige Jagdpraktiken zur politischen und gesellschaftlichen Machtdemonstration und zur Abgrenzung vom „einfachen Volk“. Mit zunehmend ausgeklügelten Ritualen wurden vor allem die Hetz- und die Beizjagd zu adeligen Privilegien, die der höfischen Lebenswelt vorbehalten waren.
Die standesgemäße Jagd in höfischen Kreisen
Die Hetzjagd, also die Jagd zu Pferd mithilfe einer abgerichteten Hundemeute und Jagdgehilfen, wurde im Mittelalter besonders gerne dargestellt. Berühmte Jagdtraktate wie das Jagdbuch des Königs Modus und Gaston Phoebus – Das Buch der Jagd stellen sie als die höchste Form der Jagd heraus – insbesondere dann, wenn das Ziel der König des Waldes, der Hirsch, ist. Er galt als ebenbürtiger Gegner, den man nur mit exakter Vorbereitung, großer Anstrengung und raffinierter Findigkeit überlisten konnte.
Hetzjagden erfreuten sich in höfischen Kreisen außerdem besonderer Beliebtheit, weil sie äußerst kostspielig und zeitaufwendig waren. Sie glichen geradezu Festakten, an denen nicht nur zahlreiche Adelige als Jäger und Jägerinnen teilnahmen, sondern zu denen auch ein erlesenes Publikum gehörte, das es zu unterhalten und verköstigen galt. Vor allem aber die dauerhafte Pflege und Erziehung der Jagdhunde durch ausgebildete Jagdgehilfen war zeit- und kostenintensiv.
Tierische Helfer kamen auch bei der Beizjagd, der Jagd mit Raubvögeln auf kleinere Säugetiere und Vögel, zum Einsatz. Insbesondere Falken und Habichte wurden für diese vornehme Jagdpraxis gefangen und gezähmt, wie die berühmten Traktate Kaiser Friedrichs II. – das Falkenbuch und der Wiener Moamin – veranschaulichen.
Erstaunlicherweise war die Beizjagd in der Theorie allen Ständen erlaubt. Allein der ungeheure Zeit- und damit auch Kostenaufwand machte sie zu einem adeligen Privileg. So ist es kaum verwunderlich, dass Falknerhandschuh und Falke in Bildern zu Symbolen des Adelsstandes avancierten.
Effizientes Weidwerk
Neben den Hetz- und Beizjagden thematisieren die Jagdtraktate jedoch auch weniger elitäres Weidwerk, das zudem auch deutlich effizienter war. Pfeil und Bogen sowie die Armbrust erlaubten das Jagen aus sicherer Entfernung, wobei verschiedene Tarnmethoden zum Einsatz kamen.
Mit den unterschiedlichsten Fallen konnten nicht nur kleine Tiere, sondern auch gefährliches Wild wie Wölfe und Wildschweine risikoarm gefangen werden. Fische und andere Wasserlebewesen wurden – wie heute noch – mit vielfältigen, speerartigen Waffen und Netzen gejagt.
Praktisches Wissen und lehrreiche Schriften
Bemerkenswert ist zudem das empirische Wissen über Tiere, das in den Jagdbüchern vermittelt wird. Es handelt sich um sehr spezifische Kenntnisse über Lebensraum, Erscheinung und Verhalten des sogenannten jagdbaren Wildes, das für die Jagd von Nutzen und weniger moralisch und theologisch aufgeladen ist als in Bestiarien und Enzyklopädien, die zur selben Zeit entstanden. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den Hunden und Raubvögeln, deren Haltung und Gesundheit zentrale Themen sind.
Die zahlreichen Jagdbücher fungierten als Lehr- und Nachschlagewerke und ergänzten die praktische Ausbildung zum Jäger. Erstaunlicherweise wurden adelige und nicht adelige Jungen hierbei gemeinsam erzogen. Allerdings konnten die unteren Stände lediglich den Status eines Jagdgehilfen erreichen, während den adeligen Jungen der Aufstieg vom Hundeknappen zum Jagdreiter vorherbestimmt war. Obwohl das Weidwerk in höfischen Kreisen nur zum männlichen Bildungskanon gehörte, wurden teilweise auch adelige Mädchen im Bogenschießen und Fährtenlesen unterrichtet. In den prachtvollen Miniaturen der Jagdtraktate tauchen sie jedoch kaum auf.
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