Botanik und Heilpflanzen
Botanische Handschriften wie der stilprägende Wiener Dioskurides oder der kunstvolle Kodex Tractatus de Herbis, bekannt unter der Signatur Sloane 4016, zählen zu den historisch bedeutendsten Werken des Mittelalters. In der Wissenschaftsgeschichte stellen sie eine Brücke zwischen dem Wissen der Antike und der modernen Medizin dar, eröffnen kulturgeschichtliche Einblicke in das mittelalterliche Alltagsleben und bieten Kunsthistorikern die Möglichkeit, die Entwicklung der europäischen Ästhetik zurückzuverfolgen.
Die oft reich und naturgetreu illuminierten Werke waren die Basis einer jeden Heilbehandlung im Mittelalter. In speziell dafür angelegten Kräutergärten, etwa in den Klöstern, wurden die darin abgebildeten und beschriebenen Heilpflanzen gezüchtet. So war es den Menschen möglich, praktisch jedes Leiden und jede Krankheit zielgerichtet zu behandeln.
Diese Kräuterbücher wurden von der Spätantike bis zur Renaissance hergestellt und verwendet. Sie sind nahezu die einzigen Quellen aus der Antike, die im lateinischen Westen bis zur Renaissance erhalten geblieben sind. Andere fanden in Übersetzungen arabischer oder hebräischer Quellen, die ihrerseits antike Texte überlieferten, ihren Weg nach Europa. Mittelalterliche botanische Manuskripte waren ein wesentlicher Bestandteil des Fundaments, von dem die moderne Wissenschaft ihren Ausgang nahm, und stellen auch heute noch eine überaus begehrte Gattung mittelalterlicher Buchkunst dar.