De Monstris
Mit De Monstris leistete Fortunio Liceti einen wichtigen Beitrag zur Medizin- und Wissenschaftsgeschichte. Das 1616 erstmals veröffentlichte Werk trug erheblich zur Verbreitung innovativer Erklärungsansätze für physische Fehlbildungen bei, die sich nicht nur auf übernatürliche Geschicke bezogen, sondern vielmehr nach biologischen Ursachen suchten. Die 1668 bei Paolo Frambotti in Padua erschienene Ausgabe des Traktats wartet zudem mit 74 qualitätvollen Kupferstichen auf, die wohl von Hendrik Bary geschaffen wurden. Diese zeigen auf Grundlage des Textes nicht nur körperliche Dysplasien, sondern auch wundersame Fabelwesen und ‚exotische‘ Tierarten.
Uralte Faszination
Berichte von Fehlbildungen sind so alt wie die menschliche Schriftkultur. Bereits im alten Babylonien und antiken Griechenland wurden Dysplasien menschlicher Körper beschrieben. Solche nicht der Norm entsprechenden Körperformen wurden bis ins 16. Jahrhundert als ‚Spiel der Natur‘ oder Omen gedeutet, weshalb in diesem Kontext auch Begriffe wie ‚Monster‘ und ‚Monstrosität‘ verbreitet waren.
In der frühen Neuzeit gab man sich jedoch nicht mehr mit rein übernatürlichen Erklärungen für die wundersamen Phänomene zufrieden und suchte erstmals nach ihren Ursachen, die zunächst im Erbgut, in mechanischen Einwirkungen auf den Fötus und Erkrankungen desselben angenommen wurden. Mit dem gesteigerten Interesse an dem Thema erschienen im 16. und 17. Jahrhundert die ersten Veröffentlichungen zur Ursachenforschung, von denen das wohl einflussreichste und am weitesten verbreitete Fortunio Licetis (1577–1657) De Monstrorum Causis, Natura et Diferentiis war.
Ein Produkt seiner Zeit
Liceti veröffentlichte sein erfolgreichstes und bekanntestes Werk 1616 zunächst ohne jegliche Illustrationen. Sein in zwei Bücher und dutzende kleinere Kapitel eingeteiltes Traktat handelt dabei jedoch nicht nur von körperlichen Fehlbildungen im heutigen Sinn, sondern beinhaltet auch Passagen über wunderliche Fabelwesen und gewöhnliche Tierarten, die lediglich von der europäischen Leserschaft als exotisch und ‚abnormal‘ wahrgenommen wurden.
Damit verknüpfte der Autor zwei äußerst beliebte und viel diskutierte Themen seiner Zeit. Zum einen geht es um die Grenzen der (menschlichen) Physiognomie und die damit einhergehende Vorstellung, dass sich die Ausprägung der Seele auch im äußeren Erscheinungsbild des Menschen widerspiegelt. Danach wurde eine deformierte Physis zugleich als Ausweis für moralische Schwächen oder gar eine verdorbene Seele verstanden, was auf Pseudo-Aristoteles‘ Schrift Physiognomonica beruht. Zum anderen ist der Text aber auch von der aufkeimenden Renaissance-Ethnografie beeinflusst, die sich aus der zunehmenden Erkundung der Welt und den zahllosen Erzählungen über das Fremde entwickelte. Das wachsende Interesse an den Bewohnern außereuropäischer Regionen ging dabei mit vielen Vorurteilen über diese ‚Anderen‘ einher, die in der Folge oftmals als ‚Monster‘ bzw. Menschen mit körperlichen ‚Monstrositäten‘ imagiert wurden.
Dementsprechend traf Fortunio Licetis Werk genau den Zeitgeschmack und seine weitreichende Rezeption erlaubte schon bald mehrere (illustrierte) Nachdrucke, die unter dem kürzeren Titel De Monstris erschienen.
Verblüffende Illustrationen
So kam 1634 die erste illustrierte Ausgabe des Textes auf den Markt, dem hierfür zunächst 58 Kupferstiche beigegeben wurden, die späteren Editionen als Vorbilder dienten. Unter diesen sticht besonders diejenige Ausgabe heraus, die 1668 von dem Drucker Paolo Frambotti in Padua herausgegeben wurde und dem Ehepaar Verità and Girolamo Zenobio aus einer einflussreichen veronesischen Familie gewidmet ist. Ihre qualitätvolle und sorgfältige Ausstattung mit fantastischen Kupferstichen fällt sofort ins Auge. Die postum durch Gerardus Leonardus Blasius (gest. 1692) herausgegebene Ausgabe wurde von diesem durch einen Appendix ergänzt, der zudem 15 neue Illustrationen enthält, die berühmte zeitgenössische Fälle von fehlgebildeten Körpern zeigen, die nach der Verbreitung von Licetis Werk bekannt geworden waren. Die Edition wird außerdem durch eine auffällige Titelseite mit einem wunderbaren ganzseitigen Kupferstich komplettiert, der von Hendrik Bary (gest. 1717) signiert ist, der wahrscheinlich auch für die restlichen Illustrationen verantwortlich war.
Ein Stück Medizin- und Wissenschaftsgeschichte
Obwohl das Werk den aristotelischen Lehren und damit einigen Annahmen und Glaubenssätzen der Antike und des Mittelalters verhaftet bleibt, stellt es dennoch einen wichtigen Schritt in der Medizingeschichte dar, verbreitete es doch neue Thesen zur Ursachenforschung von Fehlbildungen. Dieser seinerzeit recht innovative Ansatz und die Suche nach biologischen Erklärungen als Gegengewicht zu den übernatürlichen Erklärungsversuchen früherer Zeiten macht De Monstris zu einem bedeutenden Werk der Medizin- und Wissenschaftsgeschichte. Zusammen mit ähnlichen Traktaten bildet es die Grundlage der modernen wissenschaftlichen Teralogie.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- De monstrorum causis
- Umfang / Format
- 356 Seiten / 19,0 × 15,0 cm
- Herkunft
- Italien
- Datum
- 1668
- Stil
- Sprache
- Buchschmuck
- 74 Kupferstich-Illustrationen, davon eine Titelseite
- Inhalt
- Traktat über körperliche Fehlbildungen bei Menschen und Tieren
- Künstler / Schule
- Fortunio Liceti (Autor)
Paolo Frambotti (Drucker)
Hendrik Bary (Kupferstecher)
De Monstris
Das Monster aus dem Tiber
Dieser Kupferstich zeigt drei exzeptionelle Mischwesen, die sogar antike und mittelalterliche Vorstellungen und Mythen übertreffen. Das Wesen rechts soll laut Text 1496 im Tiber in Rom entdeckt worden sein. Die Darstellung entspricht der Beschreibung darüber: Der weiblich geformte Körper ist größtenteils mit Schuppen bedeckt, während der Kopf dem eines Esels gleicht. Die Extremitäten weisen alle unterschiedliche Enden auf - so besitzt das Monster eine menschliche Hand, einen Armstumpf in Form eines Elefantenfußes, einen Fuß mit Adlerkrallen und einen gespaltenen Huf.
De Monstris
Lazarus und Joannes Baptista Colloredo
Die beiden Brüder Lazarus und Joannes Baptista Colloredo waren die wohl bekanntesten Siamesischen Zwillinge im Europa des 17. Jahrhundert. Die im Bauch- oder Brustbereich miteinander verwachsenen Zwillinge wurden 1617 in eine wohlhabende genueser Familie geboren und bereits im Kindesalter von verschiedenen Ärzten untersucht, die das Phänomen zu verstehen suchten. Im Erwachsenenalter entschied Lazarus, sich und seinen Bruder in zahlreichen europäischen Ländern zur Schau zu stellen, wodurch sich die beiden einen ansehnlichen Lebensstil leisten konnten.
Das spiegelt sich auch in dieser Illustration wider: Der aufrecht stehende Lazarus trägt einen kostbaren Mantel über Hemd und Hose. Die rechte Hand ist dabei in die Seite gestemmt, was ihm Standhaftigkeit verleiht. Sein Bruder Joannes Baptista hängt passiv und halb bekleidet an seiner Vorderseite, während die beiden Arme nach Teilen der Bekleidung zu greifen scheinen und er seinen einzigen Fuß an Lazarus' Knie abstützt.
#1 De Monstris
Details zur Faksimile-Edition:
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(1.000€ - 3.000€)
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