Blätter im Louvre und das verlorene Turiner Gebetbuch
Als einzige erhaltene Seiten aus dem verbrannten Turiner Gebetbuch bieten die vier Blätter einen Einblick in die Pracht und hochwertige künstlerische Ausgestaltung dieser bedeutenden Handschrift. Der Meister des Paraments von Narbonne sowie Jan van Eyck und sein Umkreis waren die Künstler der Bildseiten. Die schicksalhafte Geschichte des Gebetbuchs unterstreicht die Bedeutung der vier Blätter im Louvre.
Die Blätter im Louvre aus dem verlorenen Turiner Gebetbuch
Die vier hier versammelten Blätter sind die einzigen erhaltenen Seiten eines großen Buchschatzes des 15. Jahrhunderts: eines Teils der Très Belles Heures des Duc de Berry. Das in Turin aufbewahrte Gebetbuch fiel 1904 einem Brand zum Opfer. Einzig die vier Blätter im Louvre zeugen bis heute von der Pracht und künstlerischen Bedeutung des Gebetbuchs.
Große Meister am Werk
Die fünf Miniaturen auf den vier Blättern im Louvre stammen von den Händen der größten Künstler ihrer Zeit. Der Meister des Paraments von Narbonne war für die ursprüngliche Gestaltung verantwortlich, Jan van Eyck und sein Umkreis sollten diese teilweise ergänzen und vervollständigen und zusätzlich eigene Miniaturseiten fertigen. Die wertvollen Miniaturseiten begeistern mit kunstvoll drapiertem Rankenwerk, prachtvollen Initialen, verspielten Bas-de-page-Miniaturen und besonders den Hauptszenen in leuchtenden Farben und wohldurchdachter Komposition. Letztere wirken in ihrer detaillierten Ausführung fast wie eigenständige Tafelbilder. Dass diese Kunstwerke aus einer Prachthandschrift bis heute erhalten sind, ist einem glücklichen Umstand zu verdanken.
Eine verhängnisvolle Geschichte
Herzog Jean de Berry war der Auftraggeber für die nach ihm benannten Très Belles Heures. Aus unbekannten Gründen gab er die Handschrift 1412 an seinen Schatzmeister Robinet d'Estampes, der sie in drei Teile zerlegte und zwei davon an das Haus Bayern-Holland verkaufte. Er selbst behielt den heute unter dem Namen „Très Belles Heures de Notre Dame“ bekannten Teil. Das Gebetbuch, das zusammen mit dem heute als Turin-Mailänder Stundenbuch bekannten Teil nach Bayern-Holland gelangte, sollte 1424 von dem noch jungen Jan van Eyck fertig gestellt werden. Über verschiedene Stationen gelangte es 1720 durch das Haus Savoyen nach Turin, wo es in der Nationalbibliothek aufbewahrt wurde. Zu dem Zeitpunkt waren die vier Seiten wohl schon aus dem Buch entfernt - aufgrund ihrer besonderen Pracht gestohlen? - worden. Doch war dieses Schicksal ihr Glück, denn das Turiner Gebetbuch verbrannte 1904 bei einem Feuer in der Turiner Bibliothek.
Das glückliche Schicksal
Die vier Blätter befinden sich seit dem 19. Jahrhundert im Louvre. Ursprünglich umfasste das Gebetbuch 93 Blätter mit insgesamt 40 Bildseiten. Die Besonderheit des Gebetbuchs waren die ungewöhnlichen, zum Teil gar einzigartigen Gebete für Heilige, die in den sonst üblichen Kompendien nicht aufgeführt sind. Die illustrierenden Miniaturen zeugen von einer Kunstfertigkeit und Könnerschaft, die das Gebetbuch auch aus kunsthistorischer Sicht besonders wertvoll erscheinen lassen. Dies hatte den Kunsthistoriker Paul Durrieu zwei Jahre vor dem Brand dazu bewogen, die Bildseiten des Turiner Gebetbuchs in Schwarzweiß-Drucken zu edieren. So lassen sich die Pracht und der Glanz der spätmittelalterlichen Handschrift heute wenigstens zu einem gewissen Teil erahnen.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- Leaves of the Louvre and the Lost Turin Hours
Turin-Mailänder Stundenbuch
Libro d'ore di Torino-Milano - Umfang / Format
- 4 Blätter / 26,8 × 17,3 cm
- Herkunft
- Frankreich
- Datum
- 1380–1420
- Stil
- Sprache
- Schrift
- Gotische Textualis Quadrata
- Buchschmuck
- 5 Miniaturen auf 4 Blättern. Das Heft über die verlorenen Abbildungen enthält 40 zusätzliche schwarz-weiß Reproduktionen der Miniaturen des verlorenen Turiner Gebetbuchs
- Auftraggeber
- Jean, Herzog von Berry (1340–1416)
- Künstler / Schule
- Meister des Paraments von Narbonne (fl. 1356–1408)
Meister des Llangattock-Stundenbuchs (fl. 1445–60)
Meister Johannes’ des Täufers
Jan van Eyck Schule - Vorbesitzer
- Jean, Herzog von Berry (1340–1416)
Haus Savoyen
Blätter im Louvre und das verlorene Turiner Gebetbuch
Maiestas Domini mit dem Schmerzensmann
Diese prächtige Miniatur vom Meister des Stundenbuchs von Llangattock stellt Gottvater als mittelalterlichen König mit Zepter und Reichsapfel dar, der vor einer prächtigen Tapisserie thront, die von zwei Engeln gehalten wird. Jesus, der die blutenden Wunden der Passion zeigt, wird ebenfalls von zwei Engeln flankiert. Sie halten sein blutbeflecktes weißes Grabtuch in die Höhe, während Christus auf einem seiner Folterwerkzeuge kniet: jener Säule, an die er während seiner Geißelung gefesselt war. Unterdessen hat sich die Jungfrau Maria auf der rechten Seite niedergelassen, um Fürbitte bei Gott einzulegen. Dabei präsentiert sie ihre Brust, mit der sie den Gottessohn genährt hat.
Blätter im Louvre und das verlorene Turiner Gebetbuch
Szenen des Martyriums
Der Meister des heiligen Johannes des Täufers erkundet das Thema des Martyriums auf dieser prächtigen Seite anhand von drei Bildern, die von kunstvollen rot-blau-goldenen Ranken umschlossen werden. Er beginnt mit zweien der ersten christlichen Märtyrerlegenden: dem Bethlehemitischen Kindermord in der Bas-de-page-Miniatur und der Steinigung des heiligen Stephanus in der historisierten "O"-Initiale darüber.
In der großen Hauptminiatur segnet Christus aus der Himmelssphäre heraus eine Gruppe von Märtyrern, die enthauptet werden. Zwei von ihnen haben ihre Köpfen bereits verloren, die mit ihren goldenen Heiligenscheinen neben ihren einstigen Körpern liegen. Der frommer Gesichtsausdruck der dem Tode geweihten steht im Gegensatz zu den verzogenen Fratzen ihrer Henker. Einer von ihnen, in Blau gekleidet, holt mit seinem Hackebeil bereits zum nächsten Schlag aus, während der andere, in Gelb gekleidet, eines der Opfer an den Haaren vor die drei Zuschauer am linken Bildrand zerrt, bei denen es sich vermutlich um römische Beamte handelt.
#1 Blätter im Louvre und das verlorene Turiner Gebetbuch
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