DAS GEHEIMNIS DER TEMPELRITTER: VOM AUFSTIEG UND FALL DES BERÜHMTESTEN ORDENS DES MITTELALTERS

Zahlreiche Mythen und Legenden ranken sich um den wohl berühmtesten Ritterorden des Mittelalters, der unsere Vorstellung von den Kreuzzügen wie kein anderer geprägt hat. Unzählige Bücher, Filme und Videospiele zeugen von der großen Faszination, die noch immer von den legendären Geschichten über die Templer ausgeht. Diese drehen sich meist um das rätselhafte Ende des Ordens und den sogenannten Schatz der Templer, den sie angeblich vor ihrer Zerschlagung versteckt haben. Er wird nicht nur mit wertvollen Reliquien und geheimnisvollen Schriftstücken in Verbindung gebracht, sondern vor allem mit dem Heiligen Gral, für dessen Schutz die Tempelritter verantwortlich gewesen sein sollen. Was genau der mythische Gral ist und wo er versteckt wurde, beschäftigt Literaten und Abenteurer seit dem Mittelalter.

Doch auch über die Legenden hinaus ist die berühmte Bruderschaft ein fesselnder Teil mittelalterlicher Geschichte – handelte es sich doch um einen der reichsten und einflussreichsten Militärorden der Zeit der Kreuzzüge. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht zählten die Templer fast 20.000 Mitglieder und kontrollierten Hunderte von Burgen und andere Güter, bevor der Komplott des französischen Königs Philipp IV. zu ihrem spektakulären Untergang führte. Lesen Sie hier, wie es dazu kam, was die Templer ausmachte und welche Rolle sie für die Kreuzzüge spielten!

Ein mittelalterlicher ‚ADAC‘ für Pilger und der erste ‚Global Player‘ der Finanzgeschichte

Als Papst Urban II. 1095 in Clermont mit den Worten „Gott will es!“ zum Ersten Kreuzzug ins Heilige Land aufrief, nahm die Geschichte des Mittelalters in Europa eine neue Wendung. Der Kreuzzug endete 1099 mit der Einnahme Jerusalems durch die Kreuzfahrer. Das in der Folge unter christlicher Herrschaft stehende neue Königreich zog daraufhin Massen an Pilgern und Abenteurern an, deren Weg jedoch aufgrund von Banditen und wilden Tieren äußerst viele Gefahren barg und nicht wenige das Leben kostete.

Um 1119 entschieden sich daher neun verarmte, größtenteils französische Ritter, einen Orden zum Schutz der Pilger im Heiligen Land zu gründen. Sie nannten sich die "Pauperes commilitones Christi templique Salomonici Hierosalemitanis", also die "Arme Ritterschaft Christi und des salomonischen Tempels zu Jerusalem", woraus sich die üblichen, kürzeren Bezeichnungen ableiten. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten unter anderem Hugo von Payns, Herr von Montigny-Lagesse und erster Großmeister des Templerordens, Gottfried von Saint-Omer, ein flämischer Ritter und Hugos Stellvertreter, sowie André de Montbard, der dem Hochadel von Burgund angehörte und ein Onkel des Heiligen Bernhard von Clairvaux war, der den Ersten Kreuzzug maßgeblich ideologisch vorantrieb. André stieg später zum fünften Großmeister des Ordens auf.

Euch ist in Wahrheit die besondere Aufgabe, gleichsam als Eure Pflicht, geworden, Eure Seelen für Eure Brüder hinzugeben, so wie es Jesus Christus getan hat, und das Land gegen die ungläubigen Heiden, welche Feinde des Sohnes der Jungfrau Maria sind, zu verteidigen. (Templerregel 56)

Aus diesem verarmten ‚Rettungstrupp‘ aus neun Rittern entwickelte sich mit der Zeit eine elitäre, paramilitärische Einheit, die einer der reichsten und mächtigsten Ritterorden des Mittelalters werden sollte.

Die Templer: Haudegen und Mönche, Netzwerker und Bankiers

Der Einfluss der Tempelritter zeigte sich vor allem während der Kreuzzüge im Heiligen Land. Die Ordensbrüder waren über die Maßen gut ausgebildet und kämpften mit religiösem Eifer und ohne Angst vor dem Tod, so dass die Anwesenheit selbst einer kleinen Anzahl von Templern auf einem Schlachtfeld ausreichen konnte, um ein Kreuzfahrerheer zu stärken, die Motivation der anderen Krieger zu heben und letztlich den Ausgang eines Gefechts zu beeinflussen.

Die wahre Macht der Templer lag jedoch in ihrem beeindruckenden Netzwerk von über 1.000 Komtureien und Befestigungen, die sie dank umfangreicher Schenkungen vom Heiligen Land über die Iberische Halbinsel bis nach Schottland unterhielten. Dieses Netzwerk aus Niederlassungen war die Grundlage für das internationale Bankwesen des Ordens, das maßgeblich für den Erfolg der Kreuzzüge war – unterstützten die Templer damit doch sowohl die einzelnen Ritter, die beteiligten Könige und den Papst finanziell und logistisch. Sie erfanden den Reisescheck, sorgten dafür, dass Finanzmittel überall zugänglich waren, brachten Lösegelder auf und vergaben Kredite. Da dies die wichtigste und aufwändigste Tätigkeit des Ordens war, ist es kaum verwunderlich, dass ein Großteil seiner Mitglieder in genau diesem Sektor aktiv war und tatsächlich nur etwa 10% der Templer als Ritter in Schlachten zogen.

Krieger oder Mönche? Beides!

Der Alltag der Tempelritter war streng reguliert. Von Beginn an wurden Verbote, Pflichten und Regeln in der sogenannten Lateinischen Regel festgehalten, für die Bernard von Clairvaux maßgeblich verantwortlich war. Ausgehend von den Regeln des heiligen Augustinus und des heiligen Benedikt und damit den monastischen Idealen der Armut, Keuschheit und Gehorsamkeit deckt sie von Kleider- und Ausrüstungsvorschriften über die Ordenshierarchie und die Wahl des Großmeisters bis hin zu Strafen bei Verstößen alles ab und beschreibt damit das ideale Verhalten eines Tempelritters.

Je größer der Orden wurde, desto ausgefeilter wurde seine innere Struktur und Organisation. Es bildeten sich vier ‚Stände‘ heraus, innerhalb derer und zwischen denen komplexe Hierarchien die Rangordnungen festlegten: Kapläne (Geistliche), Ritterbrüder (Adelige), dienende Brüder und Knappen.

Die Brüder sollen weder zu üppiges Haar noch übermässig lange Kleider tragen. Denn diejenigen, welche dem höchsten Schöpfer dienen, müssen notwendigerweise innerlich und äußerlich rein sein nach dem Zeugnis Gottes selbst, welcher gesagt hat: "Seid rein, weil ich rein bin". (Templerregel 22)

Entsprechend gab es auch Kleiderordnungen für jeden ‚Stand‘: So durften nur die Ritterbrüder und hohen Kapläne den berühmten weißen Mantel mit dem roten Tatzenkreuz tragen, während die meisten Templer in schlichter brauner oder schwarzer Gewandung gingen. Darüber hinaus schrieb die Regel beispielsweise das Material der Kleidung vor (im Winter war nur Schafswolle erlaubt) und verlangte, dass sämtlich Kleidung immer passgenau zu sein hatte und alte Kleidung an Arme verteilt werden sollte.

Andere Bestimmungen untersagten allen Templern die Jagd – außer es galt einen Löwen zu töten. Sie durften auch keine Taufpaten sein, ihre Knappen nicht schlagen und nicht mehr als dreimal wöchentlich Fleisch essen. Dafür bestand etwa die Pflicht, Gebetszeiten einzuhalten, für tote Ordensbrüder zu beten und sich um kranke Mitglieder zu kümmern. Die Aufnahme von Ordensschwestern wird in der Regel ausdrücklich verboten und so war es auch keinem Templer erlaubt, jedwede Frau, und sei es eine Verwandte, zu küssen. Es galt also für alle das Zölibat. Der Orden vereinte damit den Dualismus von Ritter- und Mönchtum, was auch sein Siegel wiederspiegelt, das zwei Ritter auf einem Pferd zeigt.

Das Mysterium beginnt: Der Untergang der Templer

Die asketische, streng regulierte Lebensweise der Tempelritter und ihr ökonomisches Geschick wurden bis Ende des 13. Jahrhunderts mit Erfolg und Ansehen bis hin zu Bewunderung belohnt. 1291 gingen aber selbst die letzten Gebiete der Kreuzfahrer an die Mamluken verloren, woraufhin auch die Templer nach und nach aus dem Heiligen Land vertrieben wurden. So fanden sich die Ordensbrüder quasi ohne Auftrag in Europa wieder und wurden letztlich Opfer einer Verschwörung des französischen Königs.Philipp IV. hatte immense Schulden beim Orden, der praktisch die gesamten Bankgeschäfte der Krone kontrollierte, und suchte nach einer Lösung dieses Problems.

Um sich die Templer und seine Schulden vom Hals zu schaffen, ließ er schwere Ketzereivorwürfe (etwa die Anbetung des Baphomet oder das bei der Initiation angeblich geforderte Spucken auf das Kruzifix) gegen die Ordensbrüder streuen und wiegelte den Papst gegen ‚seinen‘ Orden auf – die Templer waren ihm direkt unterstellt. Daraufhin wurden am ‚schwarzen Freitag‘, dem 13. Oktober 1307, in einer konzertierten Aktion viele der wichtigsten Mitglieder des Ordens in Frankreich verhaftet und im Anschluss gefoltert, um erzwungene Geständnisse aus ihnen herauszupressen. Einige davon sind in mehreren erhaltenen Schriftrollen dokumentiert, die der Prozess gegen die Templer versammelt. Das berühmteste Schriftstück ist sicherlich das legendäre Chinon-Pergament, das Verhörprotokolle hochrangiger Ordensmitglieder umfasst, darunter auch das des letzten Großmeisters der Templer Jacques de Molay. Das Dokument belegt zudem, dass die Ordensbrüder trotz ihrer ‚Geständnisse‘ eigentlich von der päpstlichen Kommission religiöse Absolution erteilt bekamen.

Diese sollte jedoch nichts daran ändern, dass sie letztlich der weltlichen Macht zum Opfer fielen: Philipp IV. ließ die Verhafteten verbrennen und ihr gesamtes Vermögen beschlagnahmen – er sparte sich also nicht nur die Rückzahlung seiner Schulden, sondern machte mit seinem Komplott sogar noch erheblichen Gewinn. Das Ganze wurde von Papst Clemens V., der als erster Papst in Avignon unter dem direkten Einfluss des französischen Königs stand, geduldet. Dementsprechend prophezeite Jacques de Molay im Gebet auf dem Scheiterhaufen nicht nur Philipp, sondern auch Clemens den nahen Tod:

Gott weiß, wer Unrecht hat und gesündigt hat. Bald wird denen, die uns zum Tode verdammt haben, ein Unglück widerfahren.

Bekanntermaßen war der Papst keinen Monat später tot. Und auch der König kam acht Monate später bei einem Reitunfall ums Leben. Seine männliche Linie war bereits 1328 ausgelöscht. Ein weiterer Mosaikstein um das Geheimnis der Templer.

Ihre Verfolgung beschränkte sich jedoch nicht auf Frankreich, sondern erstreckte sich auch über weite Teile der iberischen Halbinsel, auf der der Orden ebenfalls viele Besitztümer und Niederlassungen unterhielt. Im Namen des Papstes wurde hier über Jahre ermittelt, verhört und gefoltert, wie die Dokumentensammlung Secretum Templi II umfangreich vor Augen führt. Die spanischen Tempelritter kamen dabei allerdings glimpflicher davon als ihre französischen Brüder: Auf dem Konzil von Tarragona im November 1312 wurde ihnen Absolution erteilt. Trotzdem löste Clemens V. den Orden im selben Jahr auf, woraufhin der größte Teil seines Vermögens und seiner Mitglieder an den Johanniterorden und andere Orden übergingen.

Das Geheimnis der Templer fasziniert die Menschen seit Jahrhunderten. Beschützten sie mit dem Heiligen Gral (Sang réal – ‚königliches Blut‘) den ‚wahren‘ König Frankreichs in der Person eines Nachkommens von Jesus und Maria Magdalena? Warum bekam eine so gut vernetzte Organisation nichts von den umfangreichen Verhaftungsvorbereitungen mit? Warum ließen sich diese ‚Elitesoldaten Christi‘ widerstandslos festnehmen? Gelang einigen Templern die Flucht nach England und lebt der Orden heute als Geheimbund weiter? Finden sich Antworten auf all diese Fragen in den umfangreichen Verhörprotokollen? Die Geschichte der Templer endete zwar 1312, aber ihr Mysterium lebt weiter…