Sammelband von Oxford
Der Sammelband von Oxford ist eines der wenigen erhaltenen Kollektaneenbücher des mittelalterlichen Englands, das heißt eine unzusammenhängende, notizbuchartige Sammlung verschiedenster Texte. In der Oxforder Handschrift aus dem späten 13. Jahrhundert sind fast 100 Texte in drei verschiedenen Sprachen zu finden: Mittelenglisch, anglo-normannischem Französisch und Latein. Sie umfassen verschiedenste Gattungen, von einem liturgischen Kalender und religiösen Lieder, über romantische Lyrik und Spruchdichtungen bis zu Rezepten, Zaubersprüchen und Prophezeiungen. Einige der volkssprachlichen Texte sind in keiner anderen Handschrift zu finden, was den Codex zu einer unschätzbaren Quelle für Forschende der englischen und französischen Sprach- und Literaturwissenschaften macht. Sie wurde von Richard de Grimhill II. (ca. 1263 - ca. 1308) zum eigenen Gebrauch über 15 Monate selbst kompiliert und geschrieben und enthält einige spätere Hinzufügungen seiner Erb*innen. Ein einzigartiger Einblick in den Alltag des gebildeten Adels im beginnenden Spätmittelalter.
Sammelband von Oxford
Die Handschrift, die unter der Signatur MS Digby 86 in der Bodleian Library in Oxford aufbewahrt wird, ist mit ihrer wunderbaren Vielfalt an Inhalten ein vollkommenes Unikat. Auf dem letzten Folio unterzeichnet der Schreiber mit einem Selbstporträt - einem cartoonhaft gezeichneten männlichen Kopf mit einer eng anliegenden Kapuze samt einer Beischrift: scripsi librum in anno et iii mensibus - "Ich schrieb das Buch in einem Jahr und drei Monaten". Das Ergebnis seiner fünfzehnmonatigen Arbeit ist eines der bedeutendsten Kollektaneenbücher, die aus dem mittelalterlichen England überlebt haben: skurrile Kombinationen von fast 100 Texten, die von Religion über Wissenschaft bis hin zu weltlicher Literatur reichen und in drei Sprachen geschrieben sind: Mittelenglisch, anglo-normannisches Französisch und Latein. Der sogenannte Sammelband von Oxford enthält medizinische Rezepte, Zaubersprüche, Gebete, Prophezeiungen, Zaubertricks, fromme Lehren, einen liturgischen Kalender, religiöse Lieder, lebhafte Debatten, Gedichte über Liebe und Tod, Sprichwörter, Fabeln, schwankartige Erzählungen, skurrile Spiele und geschlechtsspezifische Schmähtexte. Nach dem vom Schreiber verwendeten Dialekt zu urteilen, entstand die Handschrift in Gloucestershire oder Süd-Worcestershire zwischen 1271 und 1283.
Eine echte Rarität
Die Tatsache, dass Digby aus dem 13. Jahrhundert stammt, trägt zu besonderem Reiz bei, denn englische literarische Überreste aus der Zeit vor 1300 sind sehr selten. Gelehrte auf beiden Seiten der Volkssprachen Französisch und Englisch sind zutiefst von ihm fasziniert. Einige der Texte sind nirgendwo sonst zu finden, z. B. die französischen Artusgeschichten Lai des Trinkhorns (eine mittelalterliche Versdichtung über ein Trinkhorn, aus dem betrogene Männer nicht trinken können, ohne etwas zu verschütten) und Strife between Two Ladies (eine offene Debatte über weibliche Politik) wie auch die englische Fabliau (komische, schwankartig-obszöne Erzählungen, die aus dem hochmittelalterlichen Frankreich stammen) Dame Sirith sowie die Fabel Der Fuchs und der Wolf. Die Sammlung enthält auch die früheste erhaltene Fassung von Die Drossel und die Nachtigall. Die in diesem Band dargebotenen Interpretationen der jeweiligen Texte, die Aufmachung und die Besitzverhältnisse der Handschrift zeigen, dass es in Digbys lebendiger Aufzeichnung des gesellschaftlichen und geistigen Treibens einer buchbesitzenden Adelsfamilie viel zu entdecken gibt. Neben literarischen und religiösen Texten handelt es sich vor allem um ein Handbuch mit praktischen Informationen, das einen Kalender, einen Text über arabische Zahlen, Prophezeiungen nach dem Wochentag, auf den Weihnachten fällt, Pflege von Jagdvögeln, Anweisungen zur Berechnung beweglicher Feste und eine Liste der englischen Könige bis Edward I. enthält. Zwei Texte befassen sich auch mit der Vermeidung von Unglück, einer berechnet Glücks- und Unglückstage nach dem Mond, der andere listet einfach die Unglückstage des Jahres auf - wie die Festtage sind einige fest und andere nicht.
Die Geschichte der Handschrift
Die Handschrift wurde vom Schreiber Richard de Grimhill II. (ca. 1263 - ca. 1308) für seinen Eigengebrauch angefertigt und scheint nach seinem Tod über seine Tochter Amice an die Familie Underhill übergegangen zu sein. In der Handschrift finden sich verschiedene Randnotizen von Mitgliedern der Familie Underhill zusammen mit einem Testament. Thomas Allen (1540-1632) war ein Mitglied des Trinity College in Oxford und erwarb das Buch im 16. Jahrhundert. Der 1622 erstellte Katalog seiner Sammlung listet Digby 86 als „80 A.I“ mit der Referenznummer "I" auf f. 1r der Handschrift auf. Das Manuskript wurde von Allen an Kenelm Digby (1603-65) vermacht, der es seinerseits im Jahr 1663 der Bodleian Library schenkte.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- Facsimile of Oxford, Bodleian Library, MS Digby 86
Compilation of Oxford - Umfang / Format
- 420 Seiten / 20,6 × 14,0 cm
- Herkunft
- Großbritannien
- Datum
- 1271–1283
- Stil
- Genre
- Sprache
- Schrift
- Anglicana
- Buchschmuck
- Rote und schwarze Initialen, rund zwei Dutzend Randzeichnungen
- Inhalt
- Sammlung von 97 Texten, darunter Fabeln und romantische Lyrik, Rezepte, Zaubersprüche, aber auch Gebete und ein Kalender
- Auftraggeber
- Richard de Grimhill II.
- Künstler / Schule
- Richard de Grimhill II. (Schreiber)
- Vorbesitzer
- Richard de Grimhill II.
Amice Grimhill
William Underhill
Thomas Allen
Kenhelm Digby
Sammelband von Oxford
Le Chasteau d'amour
„Un rois estoit de grant pouer / De bon valour de grant sauer…“
So beginnt das bekannteste allegorische Gedicht von Robert Grosseteste (ca. 1169–1253), in dem es um die Schöpfung der Welt und den christlichen Glauben an Erlösung geht.
Es ist kaum verwunderlich, dass auch ein Werk des einflussreichen englischen Theologen, Scholastikers und späteren Bischofs von Lincoln im Sammelband von Oxford enthalten ist, war er doch eine bekannte Persönlichkeit an der Universität von Oxford, wo er in den 1220er Jahren lehrte.
#1 Facsimile of Oxford, Bodleian Library, MS Digby 86
Details zur Faksimile-Edition:
Sprache: Englisch
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