Psalter Ludwigs des Heiligen
Wer jemals unter dem DeckengewĂślbe der Sainte Chapelle auch nur ein wenig MuĂe fand, sich in die SchĂśnheit ihrer 615 m2 umfassenden Glasfenster einzufĂźhlen, fĂźr den ist die Verwandtschaft der Sainte Chapelle und des Psalters Ludwigs des Heiligen (1226â1270) sofort greifbar: In beiden Meisterwerken der Gotik lässt der KĂśnig die besten KĂźnstler der Zeit die gesamte Heilsgeschichte mit Bildern erzählen. Die 78 ganzseitigen Miniaturen auf Goldgrund illustrieren auf 260 Blättern verschiedene Szenen des Alten Testaments. Die grazilen Figuren beginnen sich durch ihre animierte Eleganz unter den Augen des Betrachters beinahe zu bewegen. Doch auch der Text des Kalenders und der Psalmen steht in seiner kalligraphischen SchĂśnheit und genauso strengen wie freien Ordnung den bildlichen Glanzleistungen in nichts nach. Dieser wunderbare Psalter gehĂśrte einst Ludwig selbst und ist heute eines der wertvollsten Exemplare der Bibliothèque national.
78 Bilder wie Fenster der Sainte Chapelle
Die Bibliothèque nationale beherbergt nur wenige Handschriften, die den Psalter Ludwigs des Heiligen an Wert und BerĂźhmtheit Ăźbertreffen. Aber nicht nur die Tatsache, daĂ er dem wegen seines Gerechtigkeitssinnes und wegen seiner hohen staatsmännischen Fähigkeiten gerĂźhmten Herrscher Frankreichs (1226â1270) gehĂśrte, sondern auch die enge Verwandtschaft seiner Miniaturen mit der Sainte Chapelle in Paris und ihren Glasfenstern macht ihn zu einem der wichtigsten Kunstdokumente der franzĂśsischen Gotik.
Die wertvolle Handschrift besteht heute aus 260 Blättern, die mit 78 ganzseitigen prächtigen Miniaturen und acht herrlichen figßrlichen Initialen geschmßckt ist. Die Miniaturen illustrieren, und zwar buchstäblich, verschiedene Szenen des Alten Testaments und stellen zweifellos einen HÜhepunkt der gotischen Buchmalerei dar.
Die Textseiten des Kalenders und der Psalmen in lateinischer Sprache sind dem bildlichen Schmuck ebenbĂźrtig. Sie tragen sowohl durch ihre gleichmäĂige Kalligraphie als auch durch ihren elegant ausgewogenen Schriftspiegel und die reiche Verzierung dazu bei, daĂ der Psalter Ludwigs des Heiligen als eines der Meisterwerke der Buchkunst gilt. Doch wie die Glasfenster der Sainte Chapelle, denen er in vielfacher Hinsicht vergleichbar ist, ist auch dieser Psalter nicht nur ein Kunstwerk, sondern er sollte vor allem auch zu einem tieferen Verständnis der Heiligen Schrift fĂźhren.
Die kostbaren Miniaturen
Die dargestellten biblischen Szenen heben sich alle von einem prachtvollen, polierten Goldhintergrund ab, der den Bildern kostbaren Glanz verleiht. Die Rßckseite der auf schÜnem, sehr hellem Pergament gemalten Miniaturen ist immer freigelassen, um eine gegenseitige Beeinträchtigung der Bilder durch das Durchschlagen der Farben zu vermeiden. So hat man beim Aufschlagen des Buches jeweils zwei im Zusammenhang stehende Miniaturen vor sich oder zwei Legenden in franzÜsischer Sprache, die von einem zeitgenÜssischen Schreiber auf der Rßckseite eingetragen wurden.
Ganz offensichtlich haben mehrere Buchmaler an diesem Werk gemeinsam gearbeitet, wie es bei den meisten mittelalterlichen Handschriften Ăźblich war. Dennoch weist das Ganze eine groĂe Geschlossenheit auf. Die Miniaturen sind fast alle gleich aufgebaut, indem der obere Teil immer aus architektonischen Zierformen besteht, wie es einer frĂźhen mittelalterlichen Tradition entspricht. Der Raum unterhalb des Architekturteils besteht aus zwei gleich groĂen, länglichen Flächen, in denen in den meisten Fällen jeweils eine Szene aus dem Alten Testament dargestellt ist.
Die Figuren sind schlank, grazil und von edler, eleganter Haltung. Sie wirken harmonisch und bewegt und stehen in einem eigentßmlichen Kontrast zum Ernst und manchmal sogar Grauen der behandelten Themen. Neben den fßr die franzÜsische Buchmalerei so charakteristischen Farben Tiefblau und Altrosa fßr die Gewänder der dargestellten Personen sieht man bisweilen auch Zartgrßn, Graublau und zartere RosatÜne schßchtern hervortreten.
Die phantasievollen Rahmen
Alle Miniaturen werden von Rahmen eingefaĂt. Manche bestehen aus groĂen verschlungenen Zweigen mit dreizackigen Blättern an ihren Enden, wobei die Ecken mit zwei ineinander verschlungenen Drachen ausgefĂźllt sind. Andere Umrahmungen sind aus miteinander abwechselnden blauen und rosa Streifen gebildet, von denen sich zartes, goldenes Laubwerk abhebt. SchlieĂlich finden sich auch einige Rahmen, in denen das klassische Laubwerk mit selteneren Motiven verbunden ist, die der arabischen Kalligraphie entlehnt sind.
Ein heiliges Bilderbuch
Die Tradition, Szenen aus dem Alten Testament mit den Psalmen Davids zu verbinden, bildete sich wahrscheinlich schon in der Spätantike heraus. Doch erst später, als infolge der Kreuzzßge enge Verbindungen zwischen Okzident und christlichem Orient geschaffen waren, haben im 12./13. Jh. englische Schreiber diese Tradition nach byzantinischen Meistern wiederentdeckt.
Im 13. Jh. war die Darstellung biblischer Szenen sehr beliebt, sowohl in der Glasfenster- und Bildhauerkunst als auch in der Buchmalerei. Es entstanden groĂe didaktische, fast ausschlieĂlich aus Bildern bestehende Werke wie auch die Bible moralisĂŠe oder die groĂartige Bibel Ludwigs des Heiligen.
Das Gebetbuch eines KĂśnigs
DaĂ dieser Psalter Ludwig dem Heiligen gehĂśrte, steht auĂer Frage, mĂśglicherweise hatte er ihn selbst in Auftrag gegeben und sogar entworfen. Es kann jedenfalls als sicher gelten, daĂ der Herrscher, der nach Aussage seiner Biographen täglich in der Bibel oder einem anderen heiligen Buche las, bestens in der Lage war, die Darstellungen des Alten Testaments zu erkennen und zu schätzen.
Der Psalter Ludwigs ging nach dessen Tod durch viele erlauchte Hände, bis er seinen Platz in der Pariser Nationalbibliothek fand. Und jedesmal war er ein hoch geehrtes Geschenk.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- Psalter of Louis the Saint
Psautier de Saint Louis
Salterio di San Luigi
Psautier dit de saint Louis
Psalter of Louis IX - Umfang / Format
- 520 Seiten / 21,0 Ă 14,5 cm
- Herkunft
- Frankreich
- Datum
- 1260â1270
- Stil
- Genre
- Sprache
- Schrift
- Gotische Textualis Quadrata
- Buchschmuck
- 78 ganzseitige Miniaturen, 8 groĂe historisierte Initialen und zahlreiche kleinere Zierinitialen
- Inhalt
- Psalter - Verwendung von Paris, liturgischer Kalender, Gesänge
- Auftraggeber
- KĂśnig Ludwig IX., "der Heilige" (1214â70)
- Vorbesitzer
- Jeanne d'Evreux (1310â71)
Karl V. (1338â80)
Karl VI. (1368â1422)
Marie von Valois, Priorin von Poissy (1393â1438)
Graf Alexis Golovkin (1765-1811)
Prinz Mikhail Petrovich Golitzin (1764â1835)
Ludwig XVIII. (1755â1824)
Psalter Ludwigs des Heiligen
Beatus Vir
Diese prächtige historisierte Initiale mit zwei in Akanthusblätter gehĂźllten Gesichtern leitet die ersten Worte des Buches der Psalmen ein: "Gesegnet ist der Mann". Im oberen Register blickt David aus dem Fenster eines gotischen Palastes auf die nackte Bathseba. Ihre Schwängerung und der anschlieĂende Plan, ihren Mann zu tĂśten, indem er ihn in die erste Reihe der Schlacht stellt, werden vornehm ausgelassen. Stattdessen wird im unteren Register "vorgespult", wie David auf den Knien vor einem mit Lilien gemusterten Hintergrund vor Gott Vater selbst BuĂe tut, der in einer Mandorla thront und in der einen Hand eine Weltkugel mit "T-O"-Karte hält und mit der anderen eine Segensgeste macht.
Psalter Ludwigs des Heiligen
Der Sieg Abrahams Ăźber die vier KĂśnige
In einer selten dargestellten Szene aus Genesis 14 fĂźhrt Abraham genau 318 ausgebildete Diener aus seinem Haushalt zu einem Ăberfall auf ihre Feinde, eine Allianz der vier mesopotamischen KĂśnige Kedorlaomer, Tidal, Amraphel und Arioch. Sie befreien Lot und andere Gefangene, erbeuten ihre geplĂźnderten GĂźter und Ăźberrennen den Feind, dessen Lager durch zwei weiĂe Zelte dargestellt wird, vollständig. Die Szene spielt sich, wie die Ăźbrigen 78 ganzseitigen Miniaturen, unter gotischer Architektur ab.
Drei der vier KĂśnige liegen tot auf einem Haufen, als Abraham, der in Rot gekleidet ist und einen weiĂen Bart trägt, sein Schwert erhebt, um den vierten KĂśnig zu erschlagen. Sein Schild trägt ein Drachenwappen, das einen Gegensatz zu den LilienblĂźten auf Abrahams Schild bildet â eine von zahlreichen Anspielungen auf eine Verbindung zwischen dem franzĂśsischen KĂśnigshaus und verschiedenen prominenten biblischen Figuren. In den Ecken des Zierrahmens sind vier weitere Drachenpaare mit ineinander verschlungenen Hälsen abgebildet.
#1 Psautier de Saint Louis
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