Königspsalter der Sainte-Chapelle
Der Königspsalter der Sainte-Chapelle - so benannt nach dem langzeitigen Aufenthaltsort des Manuskripts in der gleichnamigen berühmten Palastkapelle in Paris - stellt ein fantastisches Meisterwerk der Frühgotik dar, das um 1230 von einer Gruppe erfahrener Buchmaler in Paris angefertigt wurde. Seinen zweiten Namen, Psalter der Blanche von Kastilien, verdankt das Werk seiner Besitzerin, vermutlichen Auftraggeberin und angesehenen Förderin der Künste, der Königin von Frankreich. Obwohl es sich um ein Werk der Frühgotik handelt, ist der Psalter bemerkenswerterweise in einen der wenigen erhaltenen romanischen Einbände eingefasst, der dank sorgfältiger Aufbewahrung in einem ausgezeichneten Zustand erhalten ist. Im Inneren erstrahlt die Handschrift auf nahezu jeder Seite in schimmerndem Blattgold, das von kunstvollen ganzseitigen Miniaturen und historisierten Initialen komplettiert wird, und entfaltet dadurch eine wahrhaft königliche Aura.
Psalter der Blanche von Kastilien
Vor dem Aufkommen der Stundenbücher waren die Psalter die am reichsten illuminierten Handschriften. Der prächtige Psalter der Blanche von Kastilien ist nach seiner mutmaßlichen königlichen Besitzerin Blanche von Kastilien (1188–1252), der Königin von Frankreich und Ehefrau König Ludwigs VIII. (1187–1226), benannt. Sie war die Mutter des berühmten französischen Monarchen Ludwig IX. (1214–70), auch bekannt unter dem Beinamen Ludwig der Heilige, der selbst ein großer Förderer der Künste war. Die verschwenderische Ausstattung des Psalters offenbart den Einfluss des königlichen Umfelds, dem er zugedacht war. Die prachtvolle Handschrift trägt zudem den alternativen Namen Psalter von Sainte-Chapelle, da sie sich von 1335 bis Ende des 18. Jahrhunderts im Besitz der berühmten Palastkapelle Sainte-Chapelle in Paris befand. Danach wurde sie in die Bibliothèque de l’Arsenal gebracht, wo sie bis heute unter der Signatur MS lat. 1186 aufbewahrt wird. Zum Schutz des Einbandes wurde vermutlich im Auftrag König Karls V. (1338–80) eine „Chemise“ (frz. Hemd) angefertigt, die das Buch seitdem mit einem prachtvollen, mit goldenen Fleur-de-Lys bestickten Stoff umhüllt. Es ist wohl dieser Schutzmaßnahme zu verdanken, dass der Originaleinband, der als einer der wenigen Zeugnisse romanischer Buchbindekunst gilt, bis heute erhalten geblieben ist. Obwohl sich eine direkte Verbindung zu Blanche von Kastilien nicht nachweisen lässt, wird vermutet, dass die Darstellung einer betenden Frau in einer historisierten Bildinitiale auf Folio 122v sowie die im Femininum endenden Worte miserrimam peccatricem, „allerärmste Sünderin“, in einem Gebet auf Folio 190r auf die Königin zu beziehen sind. Gleichermaßen ist nicht geklärt, ob der Psalter für Blanche angefertigt wurde oder als Geschenk in ihren Besitz gelangte. Nichtsdestotrotz lässt die üppige Verwendung von Gold darauf schließen, dass der Psalter für eine Dame aus dem Hochadel geschaffen wurde.
Ein frühgotisches Meisterwerk
Obgleich in einem romanischen Einband untergebracht, weist doch der Inhalt der Psalterhandschrift darauf hin, dass es sich um eine der frühesten gotischen Bilderhandschriften handelt. Der Codex wurde um 1230 in Paris hergestellt und zeichnet sich durch verschwenderischen Goldauftrag, wunderschöne Ornamente, erfinderische Drôlerien, meisterhafte Miniaturen und eine strahlende Farbenpracht in Rot-, Blau- und Grüntönen aus. Neben 27 ganzseitigen Miniaturen ist die Handschrift im Kalenderteil mit 24 Kreismedaillons versehen, die die Tierkreiszeichen und symbolischen Szenen für jeden Monat abbilden. Die Bildwelt des Psalters erinnert an die farbprächtigen Buntglasfenster französischer gotischer Kathedralen, die in dieser Zeit im ganzen Land entstanden. Der Text wird begleitet von 9 vergoldeten Bildinitialen sowie von unzähligen Ornamenten und Drôlerien wie etwa kleinen Drachen, Hunden, Vögeln und anderen fantastischen Kreaturen, die sich oft über das Textfeld hinaus am Rand der Folios tummeln. Nahezu jede Seite des Manuskripts ist in schimmerndes Blattgold getaucht. Stilistische Merkmale legen die Vermutung nahe, dass die Handschrift von einer Gruppe hochtalentierter Künstler angefertigt wurde. In Anbetracht dessen und der Tatsache, dass Blanche von Kastilien eine große Kunstmäzenin war, scheint es naheliegend, dass eine Verbindung zwischen ihr und dem Königspsalter von Sainte-Chapelle tatsächlich existierte.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- Psalter of Blanche of Castile
Sainte-Chapelle Psalter
Royal Psalter of Sainte-Chapelle
Psautier latin dit de saint Louis et de Blanche de Castille - Umfang / Format
- 384 Seiten / 28,0 × 22,0 cm
- Herkunft
- Frankreich
- Datum
- 1200–1230
- Epoche
- Stil
- Genre
- Sprache
- Schrift
- Gotische Textualis
- Buchschmuck
- 27 ganzseitige Miniaturen, 9 historisierte Initialen, 24 Kalendermedaillons
- Vorbesitzer
- Blanche von Kastilien (1188–1252)
Karl V. (1338–80)
Königspsalter der Sainte-Chapelle
Taufe Jesus
Dieses kunstvolle Medaillon zeigt die Taufe Christi in leuchtenden Farben auf prächtigem Goldgrund. Mittig befindet sich Jesus im Jordan, die Hand zum Segensgestus erhoben und die Taube des Heiligen Geistes über seinem Kopf schwebend. Zu seiner Linken steht in Fell gekleidet Johannes der Täufer, der mit seinen Händen Jesus Schulter und Kopf berührt. Auf der rechten Seite hält ein Engel wartend die Kleider Christi bereit. Dessen nackter Körper wird bis zum Bauch vom Wasser des Flusses bedeckt. Außergewöhnlich ist, dass Jesus nicht auf dem Grund des Flusses, sondern auf einem Podest steht. Diese ikonografische Besonderheit könnte an den Leidener Psalter angelehnt sein. Auch dort wird Jesus im Jordan auf einer Steinplatte dargestellt.
Königspsalter der Sainte-Chapelle
Wurzel Jesse
Wie in ein farbenprächtiges Glasfenster eingefasst erhebt sich die Wurzel Jesse als stilisierter Baum unter einem leuchtend blauen Bogen. Dieser grenzt das zentrale Bildfeld von den zwei schmäleren Rot gerahmten Seitenfeldern ab. Wie auch die anderen Miniaturen des prachtvollen Psalters zeichnet sich auch diese Seite durch die leuchtende Farbgebung und das schimmernde Blattgold aus, mit welchem die figürlichen Darstellungen hinterlegt wurden.
Der Stamm der Wurzel Jesse erhebt sich aus den Lenden des schlafenden Stammesvater und teilt sich daraufhin in zwei Äste, die in kunstvollen, vegetabilen Ranken drei mandelförmige Bildfelder rahmen. Das untere Feld zeigt David der eine Harfe in den Händen hält. Darüber thront Maria, die mit ihren Händen nach den rahmenden Ranken greift. Im oberen Bildfeld ist Christus abgebildet, die rechte Hand zum Segensgestus erhoben. Neben den floralen Ranken schließt ein Kranz von sieben Tauben die Bildfelder nach oben hin ab. Das zentrale Bild wird von jeweils vier halbkreisförmigen Bildfeldern flankiert, die mit nimbierten Figuren ausgestattet sind.
#1 Der Königspsalter der Sainte Chapelle
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