Das Àltere Gebetbuch Kaiser Maximilians I.
Kein reprĂ€sentatives Werk als Zeichen der Glorie eines deutschen Herrschers, sondern ein persönlich geprĂ€gtes, intimes Andachtsbuch ist das Ă€ltere Gebetbuch Kaiser Maximilians I. Er gab es in schwierigen Zeiten in Auftrag, wĂ€hrend derer er sogar mehrere Monate in BrĂŒgge im GefĂ€ngnis einsitzen und von seinem Vater Friedrich befreit werden musste. Dieses einzigartige Dokument der persönlichen ReligiositĂ€t des Herrschers begleitete ihn jahrelang, was die starken Gebrauchsspuren belegen. Aber auch sein Inhalt ist ungewöhnlich und entspricht nicht dem Schema des Stundenbuches der Zeit â vielmehr hatte der Herrscher persönlich Einfluss auf die textliche Auswahl der Gebete genommen. Besonders bemerkenswert sind aber die fĂŒnf ganzseitigen farbenprĂ€chtigen Miniaturen eines namentlich nicht greifbaren flĂ€mischen Meisters. Einige nachgetragene flĂ€mische Gebete könnten andeuten, dass Maximilian auch mit ihrer Hilfe das FlĂ€mische erlernen wollte.
Ein persönliches Gebetbuch des "Letzten Ritters"
Wie von keiner anderen Herrscherpersönlichkeit der europĂ€ischen Geschichte sind von Maximilian I. aus allen Lebensabschnitten BĂŒcher auf uns gekommen, die nicht nur wegen ihres Schmuckes das Interesse der Kunsthistoriker erwecken, sondern auch wegen ihres Inhaltes wichtige Dokumente zu Leben und Persönlichkeit dieses Herrschers darstellen. Das Ă€ltere Gebetbuch Maximilians nimmt darunter eine hervorragende Stellung ein, indem es ein einzigartiges Dokument der persönlichen ReligiositĂ€t des Herrschers darstellt.
Der kĂŒnstlerische Schmuck dieses Gebetbuches ist ein hervorragendes Beispiel der hochstehenden flĂ€mischen Miniatorenkunst. Die fĂŒnf ganzseitigen farbenprĂ€chtigen Miniaturen sind in phantasievolle Rahmen gefasst, wobei die jeweils gegenĂŒberliegende Schriftseite ebenfalls mit einem prachtvollen Zierrahmen geschmĂŒckt ist. Aus derselben Hand wie die Vollbilder stammen die drei goldgrundierten Initialen, die aus zarten Ranken gebildet und mit kunstvollen Miniaturen gestaltet sind. Die ĂŒbrigen Seiten sind mit zahlreichen einfachen Initialen verziert.
Das Ă€ltere Gebetbuch stammt aus der Zeit, in der sich Maximilian in den Niederlanden aufhielt und in der er teilweise in heftige KĂ€mpfe um den Besitz des Landes verwickelt war. Zu dieser Zeit gab er ein Gebetbuch in Auftrag, auf dessen textliche Gestaltung er unmittelbaren Einfluss genommen hatte. An vielen Stellen weist es starke Gebrauchsspuren auf, woraus man schlieĂen kann, dass es Maximilian lange Zeit hindurch als privates Gebetbuch fĂŒr die innere Andacht eifrig benĂŒtzt hat.
Ein prachtvolles Zeugnis der flÀmischen Buchmalerei
Der kĂŒnstlerische Schmuck des Gebetbuches Maximilians stammt von einem flĂ€mischen Meister, dessen Name uns nicht bekannt ist und der in einer Werkstatt in BrĂŒgge tĂ€tig war. Die stilistisch einheitlichen Miniaturen, die den Blick des Betrachters auf sich ziehen, zeugen von der kĂŒnstlerischen Perfektion des Meisters, und die breiten Zierrahmen mit den darin dargestellten Tieren und Blumen verschiedenster Art zeigen eine phantasievolle Verspieltheit.
Die schönste und beeindruckendste Miniatur stellt den jugendlichen, gekrönten Maximilian mit langem, goldblondem Haar dar (fol. 61v). Er kniet im Gebet vor dem hl. Sebastian, dem Patron der BogenschĂŒtzen, der hier als Ritter in höfischer RĂŒstung wiedergegeben ist. Das Wappen auf dem Baum zeigt den Adler des deutschen Königs, zu welchem Maximilian am 16. Februar 1486 gekrönt wurde.
Ein intimes Andachtsbuch eines Herrschers
Die Zusammensetzung der Texte fĂŒgt sich nicht in das im 15. Jh. ĂŒbliche Schema des Stundenbuches, denn von den wesentlichen Hauptteilen fehlen das Marien- und Totenoffizium. In traditioneller Weise allerdings enthĂ€lt das Gebetbuch zu Beginn einen Kalender mit der Eintragung der unbeweglichen Feste. Die darauf folgenden Gebete sind ein buntes Gemisch von Texten, die den verschiedensten Vorlagen entnommen wurden und weder liturgisch noch thematisch einem erkennbaren System verpflichtet sind.
Neben allgemeinen Gebeten finden sich auch solche mit ganz persönlicher PrÀgung. Zweifellos hatte Maximilian selbst die Textauswahl seines handgeschriebenen Àlteren Gebetbuches aufs StÀrkste beeinflusst. Es war kein reprÀsentatives, auf Verherrlichung des Herrschers und seines Hauses angelegtes Werk, sondern ein persönlich geprÀgtes, intimes Andachtsbuch, das ihn durch viele Jahre begleitete.
Ein kalligraphisches Meisterwerk
Der ĂŒberwiegende Teil der Texte ist von einer Hand in ausgeprĂ€gter, regelmĂ€Ăiger burgundischer Bastarda geschrieben. Die nachgetragenen Gebete sind dagegen von einer oder mehreren HĂ€nden in verschiedenen Schönschreibschriften verfasst. Die Sprache ist das den Gebildeten der damaligen Zeit verstĂ€ndliche Latein, wenn auch Maximilian I. selbst Zeit seines Lebens nicht gerade hervorragende Lateinkenntnisse besessen haben soll.
Eine auffallende Besonderheit stellen die nachgetragenen Gebete in flÀmischer Sprache dar. Möglicherweise war Maximilian an deren Eintragung interessiert, um sich beim Gebet in dieser ihm vorerst noch fremden Sprache zu schulen. Er hat FlÀmisch wohl erst nach und nach in den Niederlanden gelernt, denn die Sprache des burgundischen Hofes war ja das Französische.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- Ălteres Gebetbuch Kaiser Maximilians
Older Prayer Book of Emperor Maximilian I - Umfang / Format
- 182 Seiten / 19,0 Ă 13,3 cm
- Herkunft
- Belgien
- Datum
- Nach 1486
- Stil
- Sprache
- Buchschmuck
- 3 historisierte Initialen, 5 Seiten mit Zierrahmen, 5 ganzseitige Miniaturen, 13 illuminierten Seiten in Farbe
- Inhalt
- Stundengebet
- Auftraggeber
- Maximilian I., Römischer Kaiser (1459â1519)
- KĂŒnstler / Schule
- Unbekannter FlÀmischer Meister
Das Àltere Gebetbuch Kaiser Maximilians I.
Messe des heiligen Gregor
Der Legende nach bezweifelte einmal eine Frau, als Papst Gregor I. die Messe hielt, dass die Eucharistie tatsĂ€chlich Christus sei. Nach dem Gebet um ein stĂ€rkendes Zeichen erschien auf dem Altar eine Vision von Christus mit den Wunden der Passion, und die Legende wurde zu einem beliebten Thema fĂŒr illuminierte Handschriften und fĂŒr Altarbilder gleichermaĂen. Christus ist hier ĂŒber dem Altar der Schmerzensmann, umgeben von reliefartig herausgehobenen Gesichtern und Bildern aus der Passion, wie etwa der GeiĂelungssĂ€ule im blau-grauen Hintergrund.
Ălteres Gebetbuch von Kaiser Maximilian I.
Madonna und Kind
Statt je einen individuellen Heiligenschein haben Mutter und Kind einen fein gezeichneten gemeinsamen Nimbus. Dadurch wird die Innigkeit zwischen ihnen genauso betont wie durch den Umstand, dass sie bei allen GröĂenunterschieden liebevoll ihre Arme umeinander legen. Es sieht fast aus, als stĂŒnden sie am Eingang einer Höhle mit einer Inschrift und einem wolkenverhangenen blauen Himmel ĂŒber ihnen, aber der Hintergrund ist zurĂŒckgenommen, um die Aufmerksamkeit auf die Details ihres Ausdrucks und auf Marias so elegant fallendes Gewand zu lenken.
Der Rahmen der Miniatur ist vielleicht ein noch gröĂerer Ausweis fĂŒr das Können des anonymen flĂ€mischen KĂŒnstlers, der fĂŒr die prĂ€chtige Illumination der vorliegenden Handschrift verantwortlich ist. Eine groĂe Libelle mit durchsichtigen FlĂŒgeln und eine Motte sind zwischen den Blumen und geschnittenen, getrockneten BlĂ€ttern gelandet, die eine goldbraune Farbe angenommen haben. Die Schatten lassen es so erscheinen, als ob all diese Dinge auf dem Rahmen ruhen wĂŒrden.
#1 Das Àltere Gebetbuch Kaiser Maximilians
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