Das Àltere Gebetbuch Kaiser Karls V.
Es musste schon ein besonderes Gebetbuch sein, wenn es ein Geschenk fĂŒr einen Herrscher sein sollte, in dessen Reich die Sonne niemals untergehen wird. Das Ă€ltere Gebetbuch Kaiser Karls V. ist in seiner hervorragenden Schönheit eine wahrhaft wĂŒrdige Gabe gewesen, auch wenn er bei seiner Zueignung zwischen 1516 und 1519 noch König war: 76 Miniaturen aus der Gent-BrĂŒgger-Schule, die mit ihrer Eleganz nicht in Prunk entarten, sondern Andacht und innere Sammlung fördern. Die zarten Farben, die ein namentlich nicht greifbarer Meister ausgewĂ€hlt hat, leisten ihren eigenen Beitrag zu dieser diskreten Form von Schönheit, bei der vieles aus zurĂŒckhaltenden Andeutungen zu erspĂŒren ist. Die 24 Kalenderseiten zu Beginn der Handschrift stellen in schwarzer und roter Schrift auch ohne figuralen Schmuck wahre Kunstwerke dar. Dieses Gebetbuch aus dem zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts ist ein Werk des Ausklangs, dessen Gattung es schon im folgenden Jahrzehnt so nicht mehr geben wird.
76 Miniaturen aus der Gent-BrĂŒgger Schule
Als der junge Karl schon König von Spanien, aber noch nicht Kaiser war, erhielt er in den Jahren zwischen 1516 und 1519 ein Gebetbuch als Geschenk, das er eifrig in Gebrauch hatte, wie man heute noch aus den BenĂŒtzungsspuren ersehen kann. Die hervorragende Schönheit der kĂŒnstlerischen Ausstattung lĂ€sst dieses Gebetbuch als eine wĂŒrdige Gabe fĂŒr einen Herrscher erscheinen, der jener berĂŒhmte Kaiser werden sollte, in dessen Reich die Sonne nie unterging.
Das wichtigste Element des kĂŒnstlerischen Schmucks sind die insgesamt 76 Miniaturen, deren Format wesentlich durch die Rahmen mitbestimmt wird. Hinzu tritt der graphische Schmuck mit den ĂŒberall im Text verstreuten bunten Initialen und ZeilenfĂŒllungen, die auf den Seiten der Miniaturen farblich mit den Rahmen ĂŒbereinstimmen. Die 24 Kalenderseiten, die den Text einleiten, sind zur GĂ€nze mit Initialen, Zierleisten und abwechselnd schwarzer und roter Schrift ausgestattet, wahre Kunstwerke, auch ohne figuralen Schmuck.
Die kĂŒnstlerische Ausstattung des Buches ist allerdings keineswegs von einem ĂŒbertriebenen Prunk, der fĂŒr eine geistige Sammlung im Gebet hinderlich gewesen wĂ€re. Vielmehr wird die organische Einheit von Text und Schmuck durch die asketische Einfachheit der Rahmen noch betont, so dass dieses Buch nicht nur ein wertvolles SchaustĂŒck, sondern ein vielbenĂŒtztes Hilfsmittel zur inneren Andacht des jungen Königs und spĂ€teren Kaisers war.
Die kĂŒnstlerische Ausstattung
Sosehr das Gebetbuch in der gefestigten Tradition der Livres dâheures steht, so entschieden hebt es sich doch in seiner individuellen Anlage und Ausstattung von den zahlreichen verwandten Werken ab. Es gehört der letzten Generation dieser Buchart an, die im 2. Jahrzehnt des 16. Jh.s noch sehr krĂ€ftig blĂŒht, die nach dem 3. Jahrzehnt allmĂ€hlich ausstirbt. Es ist also weniger ein Werk des Ăbergangs als vielmehr ein Werk des Ausklanges.
Die kostbaren Miniaturen sind von einem namentlich nicht bekannten Meister geschaffen. Ein besonderes Kennzeichen sind die zarten Farben, deren Schönheit wesentlich fĂŒr die kĂŒnstlerische Wirkung des Buches ist. Sie geben den Landschaften im Hintergrund einen sanften atmosphĂ€rischen Ton, der die Einzelheiten nur flĂŒchtig andeutet. Die landschaftliche Perspektive wird meisterhaft beherrscht, die Architekturen im Vordergrund sind einfach und schlicht gehalten. Besondere Freude hat der Maler an der Darstellung von modischen Einzelheiten, besonders von Details der weiblichen Kleidung.
Das Ă€ltere Gebetbuch Karls V. hat sich fĂŒr eine einfache, aber in ihrer konsequenten Art wirkungsvolle Rahmung entschieden, die jedoch auf jeden ĂŒbertriebenen Prunk verzichtet. Daneben verdienen auch die Initialen als Schmuckelement besondere Beachtung. Sie sind das Werk eines eigenen Meisters, der mit dem Schreiber und dem Miniator eng zusammengearbeitet hat. Von ihm stammen auch die zahlreichen ZeilenfĂŒllungen, die mit ihren zierlichen mehrfarbigen Leisten besonders den Kalenderseiten ein farbenfrohes Aussehen geben.
Ein Kleinod zur geistigen Andacht
Die Sprache dieses Buches ist das allen Gebildeten jener Zeit verstÀndliche Latein. Nur wenige Gebete, einige Titel und Zwischenanweisungen sind französisch. Beinahe das ganze Buch ist nach einem einheitlichen Plan von einer einzigen Hand in einer sehr sorgfÀltigen und zierlichen burgundischen Bastarda geschrieben. Die Schrift entspricht in ihrer vornehmen Einfachheit dem Zweck des Buches als Hilfsmittel zur inneren Andacht.
Von der Kostbarkeit dieses kleinformatigen Gebetbuches zeugt nicht zuletzt der Beschreibstoff, der aus feinstem âJungfernpergamentâ besteht. Der königliche Besitzer und auch eifrige BenĂŒtzer selbst, Karl V., ist auf fol. 213v dargestellt. Dort und auch auf der folgenden Seite (fol. 214r), d. i. beim Gebet zum eigenen Schutzengel, ist der Text an einigen Stellen bis zur Unleserlichkeit verschmutzt, was auf den eifrigen Gebrauch des Besitzers hinweist.
Dieses Gebetbuch, das in seiner Ă€uĂeren Form der WĂŒrde des königliche Besitzers angemessen war, diente als Erbauungsbuch fĂŒr einen jungen Herrscher, der sich fĂŒr seine geistige Sammlung immer wieder darin versenkte.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- Ălteres Gebetbuch Kaiser Karls V.
Older Prayerbook of Emperor Charles V
First Prayer Book of Charles V - Umfang / Format
- 512 Seiten / 15,3 Ă 8,3 cm
- Herkunft
- Belgien
- Datum
- 1516â1519
- Stil
- Sprache
- Schrift
- Bastarda
- Buchschmuck
- 76 Miniaturen der Gent-BrĂŒgger Schule und zahlreiche farbige Initialen
- Inhalt
- Stundengebet
- Vorbesitzer
- Kaiser Karl V. (1500â58)
Das Àltere Gebetbuch Kaiser Karls V.
Der Schleier der Veronika
Der Legende nach begegnete Jesus der heiligen Veronika auf dem Weg zum Kalvarienberg. Sie wischte ihm das Blut und den SchweiĂ mit ihrem Schleier vom Gesicht, der daraufhin zu einer der am meisten verehrten Reliquien des Mittelalters werden sollte. Das Gesicht Christi ist wie im Portrait in ihm festgehalten. Es blickt direkt auf den Betrachter, Details der Haare und das Blut auf seiner Stirn eingeschlossen. Veronika ist in der Mode des 16. Jahrhunderts gekleidet: ein stilvoller Hut, ein wallendes Kleid und eine maĂgeschneiderte Bluse mit PuffĂ€rmeln.
Das Àltere Gebetbuch Kaiser Karls V.
Krönung der Jungfrau Maria
Diese meist als letzte Szene dargestellte Episode aus dem Leben der Jungfrau Maria folgt ihrer Aufnahme in den Himmel. Der Titel Regina Coeli oder âHimmelsköniginâ als solcher tauchte im 12. Jahrhundert auf und so wurde es in dieser Zeit auch als kĂŒnstlerisches Thema zum ersten Mal in einem englischen Tympanon bearbeitet. Bis zum 16. Jahrhundert hatte es sich in der Ikonographie fest etabliert.
In einem eleganten architektonischen Rahmen prĂ€sentieren sich hier die typischen Personen: Gott Vater, Christus als Sohn und der Heilige Geist in Form einer Taube. Diese Darstellung der Krönung der Jungfrau Maria ist jedoch insofern etwas ungewöhnlich, da Gott Vater normalerweise als wesentlich Ă€lter als der Sohn dargestellt wird und nur er eine pĂ€pstliche Tiara trĂ€gt: Aber hier erscheinen beide Figuren in Kleidung und Aussehen fast identisch â möglicherweise ein Hinweis auf das Wesen der TrinitĂ€t.
#1 Das Àltere Gebetbuch Kaiser Karls V
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