Chansonnier de Jean de Montchenu
Das sogenannte Chansonnier cordiforme - das herzfĂśrmige Gesangsbuch - ist wegen seiner Form eines der auĂergewĂśhnlichsten Manuskripte, die im Mittelalter in Europa angefertigt wurden. Das Meisterwerk wurde ungefähr zwischen 1460 und 1477 vom franzĂśsischen Adligen und Bischof Jean de Montchenu in Auftrag gegeben. Es enthält Liebeslieder in franzĂśsischer und italienischer Sprache, die von den bedeutendsten Komponisten des 15. Jahrhunderts geschrieben wurden. Ebenso reizvoll wie die äuĂere Form des besonderen Codex ist seine unglaublich kostbare Illumination.
Le Chansonnier de Jean de Montchenu
Das wunderschĂśne, herzfĂśrmige Gesangsbuch des franzĂśsischen Adligen Jean de Montchenu zählt zu den aufregendsten und hochwertigsten Manuskripten, die im Mittelalter verfasst wurden. Das Werk enthält 44 mehrstimmige Gesänge in franzĂśsischer und italienischer Sprache, die von den berĂźhmtesten Musikern des Mittelalters â unter anderem von Guillaume Dufay, Johannes Ockeghem und Antoine Busnois â komponiert wurden. Der kostbare Codex erlangte besonders aufgrund seiner auĂergewĂśhnlichen Form weltweite Bekanntheit. Das geschlossene Buch weist die Form eines Herzen auf, welches sich in zwei Herzen aufteilt, sobald man es Ăśffnet. Passend zu dieser Gestaltung handeln die Liedtexte des Werkes von der Liebe, insbesondere von den Liebschaften am franzĂśsischen Hofe zur Zeit ihres Auftraggebers. Die reich gestalteten Buchseiten enthalten farbenfrohe Illuminationen, goldbesetzte Initialen und Ăźppige BordĂźren mit fantastischen Tier- und Pflanzenmustern.
Die Liebe am franzĂśsischen Hofe
Der Chorherr Jean de Montchenu war ein Adliger, der im 15. Jahrhundert in Frankreich lebte. Es existieren heute kaum gesicherte Informationen ßber das Leben des Geistlichen. Bekannt ist lediglich, dass er im Jahre 1477 Bischof der Gemeinden Agen und ab 1478 Bischof von Vivier war. Montchenu hatte den Ruf inne, ein Verfechter der romantischen Liebe zwischen den Menschen am franzÜsischen KÜnigshof zu sein. Passend zu seinem PersÜnlichkeitsbild gab der Adelsmann sein herzfÜrmiges Gesangsbuch mit mittelalterlichen franzÜsischen und italienischen Liebesliedern zwischen 1460 und 1477 in Auftrag. Es wurde von unfassbar talentierten, jedoch nicht näher bekannten Buchkßnstlern geschrieben und zauberhaft illuminiert. Von seinem Auftraggeber Montchenu aus ging das Chansonnier durch verschiedene Hände, bevor er in den Besitz der Familie Rothschild kam, genauer in die Privatbibliothek des jßngsten Sohnes von James de Rothschild, Henri. In einem feierlichen Akt wurde das meisterhafte Werk am 22. März 1933 von Henri de Rothschild an die franzÜsische Nationalbibliothek ßbergeben.
Ein einzigartiges Gestaltungskonzept
Das Chansonnier Ăśffnet sich in die Form eines Schmetterlings, welcher aus zwei miteinander verbundenen Herzen besteht. Die beiden Herzen repräsentieren zwei sich liebende Personen, die sich mithilfe der im Buch enthaltenen Lieder Liebesnachrichten zusenden. Das Werk ist weltweit das einzige Manuskript des Mittelalters, das ein solch durchdachtes Gestaltungskonzept aufweist. Das Wort âHerzâ wurde in den Liedtexten durch das Piktogramm eines Herzens ersetzt. Nicht nur die äuĂere Form des Gesangsbuches, sondern auch seine unglaublich reiche Illumination machen den Codex zu einem einzigartigen Meisterwerk. Es gehĂśrt ohne Zweifel zu den schĂśnsten und aufwendigsten Manuskripten, die im Mittelalter hergestellt wurden.
Exzellente Illustration
Das Ăźber und Ăźber mit farbigen und goldenen Verzierungen ausgestattete Manuskript enthält zwei atemberaubende, ganzseitige Miniaturen. Das erste Bildnis zeigt den Liebesengel Amor und eine junge Frau, deren Brust einen Pfeil des Engels trägt. Neben Amor befindet sich die Dame Fortuna, welche beim Spinnen ihres Schicksalsrades dargestellt ist. Die andere Miniatur zeigt dieselbe junge Frau, diesmal ist sie jedoch Arm in Arm mit ihrem Liebsten abgebildet. Beide Bilder sind von fantasievollen BordĂźrenmustern aus allerlei Blumen und Pflanzen, VĂśgeln, Hunden, Katzen und anderen Tierwesen gerahmt. Diese reizvollen Darstellungen umgeben so gut wie jede Seite des Prachtmanuskriptes. Ebenso groĂzĂźgig wurde die Handschrift mit Buchstaben aus edlem Blattgold versehen.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- Herzbuch
Book of the Heart
Libro del corazĂłn o Cancionero cordiforme
Le chansonnier Cordiforme de Jean de Montchenu - Umfang / Format
- 146 Seiten / 21,5 Ă 14,0 cm
- Herkunft
- Frankreich
- Datum
- Um 1460
- Stil
- Genre
- Sprache
- Buchschmuck
- 2 ganzseitige Miniaturen, zahlreiche goldene Initialen und florale BordĂźren mit TierdrĂ´lerien
- Auftraggeber
- Jean de Montchenu (1442â1506), Bischof von Agen und Viviers
- KĂźnstler / Schule
- Guillaume Dufay (1397â1474)
Johannes Ockeghem (um 1420â97)
Gilles de Binche (um 1400â60)
Antoine Busnois (um 1430â1492)
Juan Cornago (um 1400 â nach 1475)
Johannes Regis (um 1425 â um 1496)
Hayne van Ghizeghem (um 1445â97)
Firminus Caron (fl. 1460â75)
Robert Morton (um 1430â79)
Barbingant (fl. um 1460)
Johannes Vincenet (ca. 1400 â ca. 1479)
Gilles Binchois (ca. 1400â60)
Walter Frye (gest. 1474) - Vorbesitzer
- James Mayer de Rothschild (1792â1868)
Henri de Rothschild (1872â1947)
Chansonnier de Jean de Montchenu
Junges Liebespaar
Mit ihren gerĂśteten Wangen sind diese beiden Aristokraten, die ins Gespräch vertieft sind und sich Arm in Arm halten, nach dem letzten Schrei der Mode des spätmittelalterlichen Hofes gekleidet. Ihre flieĂenden, luxuriĂśsen KleidungsstĂźcke hängen bis zum Boden herab und goldener Brokat schmĂźckt seine Ărmel wie auch ihr Kleid. Der Fliesenboden wurde vom KĂźnstler dazu verwendet, um einen realistischen Eindruck von Räumlichkeit und Perspektive zu erzeugen. Mit der herausgehobenen Säule sieht es so aus, als wĂźrden die beiden gleich durch die TĂźr hinaus und von der Seite herunter spazieren.
Chansonnier de Jean de Montchenu
Das GlĂźck auf seinem Rad
Dieses Frontispiz besitzt zwar eine ungewÜhnliche Form, ist aber zugleich meisterhaft gestaltet und reich mit Gold verziert. Die Miniatur zeigt das Glßck personifiziert als eine Frau, die zur Hälfte im Licht, zur anderen Hälfte im Schatten auf dem das Glßck sympolisierenden Rad steht. Unter ihr wird das Wappen des Jean de Montchenu, der dieses ungewÜhnliche Manuskript in Auftrag gegeben hat, von zwei Engeln emporgehalten.
Cupido, der den Planeten Venus bewohnt, schieĂt einen Pfeil in die Brust der elegant gekleideten Frau rechts. Sie trägt einen langen roten Rock mit goldenem Brokat, der von einem schwarzen Kleid Ăźberdeckt wird. Auf ihrem Kopf befindet sich ein länglicher Hut mit einem durchsichtigen Schleier, durch den man vergoldete Bäume sehen kann. Sie ist ein typisches Beispiel fĂźr die Damenmode des franzĂśsischen Adels im späten 15. Jahrhundert.
#1 Chansonnier de Jean de Montchenu
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