Ziereis Faksimiles an der Universität Utrecht: Vortrag am Centre for Medieval Studies
Am 30. November 2023 waren wir in das Centre for Medieval Studies der Universität Utrecht (Niederlande) eingeladen, um dort als Experten einen Vortrag über Faksimiles in Wissenschaft und Lehre zu halten. Faksimiles dienen in praktisch allen Universitäten der Welt Mediävist*innen, Sprachwissenschaftler*innen, Historiker*innen, Kunsthistoriker*innen, Religionswissenschaftler*innen und vielen weiteren als wichtiges Arbeits- und Forschungsmaterial, da die unbezahlbaren und nicht selten fragilen Originaldokumente selbst diesen privilegierten Personengruppen meist nicht zugänglich sind. Dr. Bart Jaski, Leiter der dort beheimateten Handschriftenabteilung und Kurator hat Dozent*innen der Universität und Mitarbeiter*innen der Universitätsbibliothek eingeladen, um in unserem ca. einstündigen Vortrag mehr über die Einsatzmöglichkeiten und die Entstehung von Faksimiles zu erfahren.
Der bestmögliche Ersatz des Originals: Faksimiles in Wissenschaft und Lehre
Faksimiles kommen immer dort zum Einsatz, wo der Zugang zum Original oder dessen Verwendung nicht möglich ist. Zwar stehen immer öfter Digitalisate der Originalhandschriften oder -drucke zur Verfügung, aber viele Fragestellungen im wissenschaftlichen Bereich kann diese Art der Reproduktion nicht beantworten. Auch die wissenschaftliche Lehre ist zwingend auf den Einsatz von Faksimiles angewiesen. Dazu kommen Präsentationen und Ausstellungen, bei denen das Original entweder gar nicht oder nur eine kurze Zeit gezeigt werden kann. Auch in diesen Fällen wird oft auf Faksimiles zurückgegriffen, um den Besucher*innen den bestmöglichen Eindruck des Originals zu vermitteln und gleichzeitig dieses zu schützen. Für den Fall, dass Originale gar verloren gehen oder gestohlen werden, sind Faksimiles sogar die letzte Chance, zumindest die Aura der kostbaren Buchschätze zu erhalten. Indem wir in unserem Vortag diese vielfältigen Einsatzmöglichkeiten herausarbeiteten, wurde den Zuhörer*innen eindringlich bewusst, warum ein extrem hoher Aufwand in Sachen Material, Präzision, Zeit und Expertise bei einem Faksimile nicht nur erstrebenswert, sondern unumgänglich ist.
Thank you again for giving your lecture yesterday, it generated an enthusiastic response among those attending!
Begleitend zum Vortrag: Große Ausstellung im Kartenraum der Bibliothek
Anlässlich unseres Vortrags, der auf vitales Interesse stieß, bereitete Dr. Jaski im großen Map Room eine Ausstellung von Faksimiles der Universitätsbibliothek Utrecht vor. In diesem Rahmen übergaben wir ein Faksimile des Codex Manesse, der ab sofort dem Bestand der Universitätsbibliothek hinzugefügt ist. Bei dieser Gelegenheit ergaben sich interessante Gespräche, in denen wir nicht nur Detailfragen beantworten konnten, sondern auch selbst einen noch tieferen Einblick in die praktische Handhabung der Faksimiles an der Universität von Utrecht erhalten konnten.
Utrecht: Ein modernes Forschungszentrum mit langer Tradition
Utrecht war bereits vom 12. bis 16. Jahrhundert ein wichtiges intellektuelles und kulturelles Zentrum Westeuropas. So verwundert es kaum, dass die Stadt die viertälteste Universität der Niederlande beherbergt: am 26. März 1636 erhielt das vormalige Akademische Gymnasium offiziell den Status einer Universität. Der „neuen“ Institution wurden sodann die reichen Bestände der städtischen Bibliothek angeschlossen, die sich insbesondere aus dem kulturellen Erbe der zahlreichen mittelalterlichen Kirchen- und Klosterschulen speisten.
Heute verfügt die Universitätsbibliothek über einen enormen Bestand von fast 5 Millionen Büchern und Zeitschriften, unter denen besonders die Spezialsammlungen hervorzuheben sind. Darunter fallen etwa die Sammlung Früher Drucke und die eindrucksvolle Karten- und Atlantensammlung sowie die Sammlung mittelalterlicher Manuskripte, die etwa 750 Bände umfasst. Diese wertvollen Dokumente bilden eine wesentliche Grundlage und Inspiration für die interdisziplinäre Forschung und Lehre am international vernetzten Utrecht Centre for Medieval Studies (UCMS), an dem mittelalterliche Kulturen und deren Echos von Mediävist*innen aus den unterschiedlichsten Disziplinen, etwa den Sprach- und Literaturwissenschaften, der Geschichte und Kunstgeschichte, aber auch der Musikwissenschaft, untersucht werden.
Aus den Schatzkammern der Universitätsbibliothek Utrecht
Der Utrecht-Psalter ist unzweifelhaft das berühmteste und bedeutendste Manuskript der Utrechter Handschriftensammlung. Das zwischen 820 und 840 in einer Benediktinerabtei in der Nähe von Reims geschaffene karolingische Meisterwerk gilt als das früheste erhaltene Exemplar eines illustrierten Psalters in der abendländischen Buchgeschichte und ist heute UNESCO-Weltkulturerbe. Die 150 Psalmen werden von eindrucksvollen, narrativen Federzeichnungen von einzigartiger Ästhetik und Dynamik begleitet, die immer wieder mit Zeichnungen Da Vincis, Rembrandts und Van Goghs verglichen wurden. Die fesselnden Figuren sind nicht nur äußerst expressiv, sondern zugleich unglaublich sensibel dargestellt und gaben der europäischen Kunst mit ihrer innovativen Lebendigkeit einen noch lange nachwirkenden Impuls, der den Utrecht-Psalter zu einem der einflussreichsten Werke der Kunstgeschichte macht.
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