Die Herstellung eines Faksimiles
Die Realisierung eines jeden Faksimiles ist ein hochkomplexer Prozess. Für dessen Gelingen ist es erforderlich, dass eine Vielzahl von Fachleuten und Experten auf ihrem Gebiet zusammenarbeiten und Ihre Erfahrung und Expertise einbringen. Wie eine Faksimilierung vonstattengeht, haben wir hier in einem kurzen Artikel (natürlich sehr vereinfacht) für Sie zusammengestellt.
Die Auswahl der Originalhandschrift
Am Beginn eines Faksimilierungsprojektes steht immer die Recherche nach einer faksimilierungswürdigen Originalhandschrift aus dem Mittelalter. Diese seltenen Handschriften sind in Bibliotheken, Museen und Archiven auf der ganzen Welt verstreut. Man können sich leicht vorstellen, dass der Zugang zu diesen jahrhundertealten Kunstschätzen sehr beschränkt ist und man sowohl über die nötigen Qualifikationen, als auch hilfreiche Beziehungen verfügen muss, um überhaupt die Gelegenheit zu erhalten, eine dieser oft mit vielen Millionen Euro bewerteten Unikate besichtigen zu können – von der Erlaubnis einer Faksimilierung ganz zu schweigen.
Die fototechnische Aufnahme (Digitalisierung)
Konnte eine kulturhistorisch und künstlerisch bedeutende Handschrift ausfindig gemacht und die konservatorischen Bedenken des zuständigen Kuratorengremiums ausgeräumt werden – jede noch so vorsichtige Behandlung der Originalhandschrift setzt sie der Gefahr von Abnutzung, Beschädigung und sogar Zerstörung aus – steht man vor der nächsten großen Herausforderung: die fototechnische Aufnahme eines jeden Details, die für jede Faksimilierung die unbedingte Basis bildet. Die Handschrift muss dafür unter größter Vorsicht aus dem Archiv in einen oft speziell klimatisierten Raum überführt werden. Dort werden dann sämtlich nötigen Apparaturen installiert: Buchunterlage zur schonenden Behandlung des Originals, Lichttechnik und natürlich die fototechnische Spezialvorrichtung mit einer hochauflösenden Spezialkamera als Herzstück. Ohne hier näher ins Detail zu gehen, erkennen Sie bereits jetzt die aufwendige Prozedur der notwendigen digitalen Bildaufnahme.
Die Papierauswahl
Im Zuge der Digitalisierung ist es ratsam, sich die Handschrift ganz genau anzusehen: Wie ist das Pergament beschaffen, gibt es Beschädigungen oder Abnutzungen, was sind die genauen Maße etc. Erst dann kann man sich an die Beschaffung der richtigen Materialien für das Faksimiles machen.
Oftmals wird bei Faksimiles ein spezielles Papier verwandt, das an die jeweilige Originalhandschrift angepasst wurde (Grammatur, Steifheit, Oberflächenbeschaffenheit usw.). Diese Spezialpapiere müssen natürlich auch den modernsten Qualitätsstandards genügen, denn das fertige Werk soll Ihnen als Sammler viele Jahre und Jahrzehnte Freude bereiten – Ihnen und viele Generationen nach Ihnen!
Die Aufbereitung (Druckvorstufe)
Wenn dieser Prozess endlich abgeschlossen werden konnte, verfügt man über hunderte (teilweise Gigabyte-große) Dateien, die jede Einzelheit der Originalhandschrift zeigen. Diese Dateien müssen nun einzeln für den Druck aufbereitet werden. Der wichtigste der vielen Schritte (und einer der aufwendigsten in der gesamten Faksimilierung) ist dabei die sogenannte Farbseparierung. Dabei werden die Spektralbilder des Originals in einzelne Teilbilder aufgespaltet, die lediglich den Farbanteil zeigen, der für den jeweiligen Durchlauf in den nicht selten Millionen teuren Spezial-Druckmaschinen benötigt werden – und das wie gesagt für jede einzelne Seite des Originals!
Der Druck
Dieser Aufwand ist notwendig, da es der Anspruch eines jeden Faksimiles sein muss, optisch so nah wie möglich an die Originalhandschrift heranzureichen. Um dieses Ziel sicherzustellen, reicht leider diese Aufbereitung alleine noch nicht aus.
Wenn Sie zuhause über einen Computer mit angeschlossenem Drucker verfügen, werden Sie schon selbst festgestellt haben, dass zum Beispiel ein Rot auf dem Bildschirm nicht dem selben Rot auf Ihren Ausdrucken entspricht. Ein digitales Bild auf Ihrem Bildschirm ist ein völlig anderes Objekt als ein analoger Ausdruck. Dazu kommt, dass jeder Drucker und jede Druckmaschine ihre Eigenheiten besitzt.
Die hier genutzten Hochleistungsdruckmaschinen verfügen überdies über hunderte von Einzeleinstellmöglichkeiten, die wiederum einen direkten Effekt auf das Druckergebnis haben – ein hochkomplexes und störanfälliges Gesamtsystem.
Und selbst wenn Sie die Druckdaten perfekt aufbereitet und die Druckmaschinen ebenso perfekt feineingestellt haben, ist ein Effekt leider technisch nicht zu umgehen: Sie können von einem Druckdurchgang lediglich wenige Druckbögen aus der Mitte des Durchgangs gebrauchen. Sowohl die ersten Drucke, als auch die letzten eines jeden Durchgangs werden stets vom optimalen Ergebnis abweichen: Bevor sich die perfekte Farbe einstellt, ist etwa das Gelb zu grünstichig. Dann folgen wenige Drucke mit den gewünschten Farben, bevor etwa das Blau zu sehr ins Violette abgleitet. So wird verständlich, warum bei einem hochwertigen Faksimile zehntausende (!) Druckbögen wegen Qualitätsmängel vernichtet werden müssen!
Der originalgetreue Druck eines Faksimiles ist dementsprechend sehr zeit- und kostenintensiv und muss natürlich immer noch mit dem Original vor Ort abgeglichen werden. Denn nur der nochmalige Abgleich des letztendlichen Druckergebnisses mit der Originalhandschrift gewährleistet die hohe Authentizität des Ergebnisses.
Gold- und Silberpartien
Ist es nun gelungen, den Druck unter ständiger Qualitätsprüfung abzuschließen, müssen nun in einem separaten Verfahren die Gold- und Silberpartien gedruckt werden. Dafür kommen eigenes Foliendruckmaschinen zum Einsatz:
Zunächst müssen Metallformen für jede einzelne Seite, die im Original entsprechend mit Gold und Silber veredelt wurde, hergestellt werden. Für die Herstellung dieser Metallformen müssen wiederum aufwendig und von Hand Vorlagen erstellt werden, welche die exakten Stellen der Vergoldung bzw. Silberaufbringung des Originals nachbilden.
Mithilfe dieser dann erhitzten Metallformen werden die Gold- oder Silberfolien passgenau auf die jeweiligen Druckbögen gepresst. Anschließend werden diese Partien mit verschiedenen Techniken noch von Hand nachgealtert, um die Patina des Originals abzubilden.
Der Beschnitt
Nun liegen zwar endlich die Druckbögen samt Goldveredelung vor, aber die einzelnen Doppelseiten aus der Originalhandschrift müssen nun noch – ebenfalls dem Original entsprechend – ausgeschnitten werden.
Um den originalen Randbeschnitt auch im Faksimile zu gewährleisten, muss für jede Berandung (an den Außenseiten oder etwa Löcher im Inneren der Seiten der Originalhandschrift) ein individuelles Schneidewerkzeug angefertigt werden – wiederrum für jede einzelne Seite! Die dafür notwendigen Vorlagen müssen auch wieder für jede einzelne Seite vorher von Hand angelegt werden! Nach dem Beschneiden verfügt man endlich über einzelne Lagen, die nun wiederum dem Original entsprechend sortiert und entsprechend des dem Original zu Grunde liegenden Lagenschemas handgebunden werden müssen.
Die Buchbinde-Arbeiten
Die Bindung eines Faksimiles muss stehts von Hand erfolgen, da es bislang keine Maschine gibt, die diesen Prozess übernehmen könnte. Über den jahrhundertealten Meisterberuf des Buchbinders ließe sich sicherlich vieles sagen, ich verweise dafür aber auf entsprechende Fachliteratur oder den Besuch einer Buchbindewerkstatt und beschränke mich hier einzig darauf zu erwähnen, dass dieser handwerkliche Prozess äußerst zeitaufwendig und damit kostenintensiv ist.
Wohlgemerkt: von den hochwertigen Materialien (Holzdeckel, Fäden wie im Original und Spezialleime, dem Original entsprechendes, oftmals (gold-)geprägtes hochwertigstes Leder usw.) ist hier gar nicht zu sprechen.
Abschließende Bemerkungen
Es gäbe sicherlich noch vieles zu ergänzen, was Ihnen den zeitlichen und finanziellen Aufwand für eine Faksimileausgabe erklären könnte (die oftmals frustrierenden Schwierigkeiten im Detail, Lizenzgebühren an die Bibliothek, das Verfassen eines wissenschaftlichen Kommentarbands, Buchkassetten usw.). Ein solches Projekt dauert nicht selten zwei Jahre oder länger, in denen eine Vielzahl an Spezialisten ihr ganzes Können und ihre ganze Zeit einbringen. Ich möchte aber nur auf einen letzten Punkt eingehen:
Die allermeisten Faksimiles sind einmalige Editionen, oft begrenzt auf nur wenige hundert Exemplar weltweit! Wir sprechen nicht von Auflagen in Millionenhöhe eines beliebten Krimis, wie sie der normale Buchhandel vertreibt, sondern von der detailgetreuen und detailverliebten Nachbildung eines mittelalterlichen Kunstschatzes, der dank des enormen Einsatzes von Spezialisten und Materialien höchster Güteklasse zu Quasi-Originalen wird. Da die hohen Kosten der Herstellung also nur auf vergleichsweise wenige Exemplare umgelegt werden können, erklärt sich so der - relativ zu „normalen“ Büchern hoch erscheinende - Preis.
Wenn Sie abschließend bedenken, dass davon ausgegangen werden kann, dass ein Gutteil einer Faksimileauflage in den Beständen von Universitäten und Bibliotheken auf der ganzen Welt verwahrt werden und nur der Rest überhaupt von privaten Sammlern erworben werden kann, können Sie zusammen mit den hier aufgeführten knappen und oberflächlichen Einblicken in die Herstellung eines Faksimiles den Schatz ermessen, den Sie mit einem Faksimile Ihr Eigen nennen dürfen.