Exultet Rolle
âExultet iam angelica turba caelorumâŠâ â âFrohlocket, ihr Chöre der EngelâŠâ â mit diesen wunderschön gesungenen Worten schlĂ€gt der Diakon in der Feier der Osternacht ein neues Kapitel auf: Nach den leid- und schmerzvollen Ereignissen des Karfreitags singt er das Lob der Osterkerze, deren Licht fĂŒr den Sieg Christi ĂŒber den Tod steht. Das Besondere dieser insgesamt ĂŒber 7 m langen Rolle des Exultet: Sie enthĂ€lt gegen Ende des ersten christlichen Jahrtausends den Text und die Melodie, aber auch dazu passende Bilder mit östlichen, westlichen, klassischen und christlichen Motiven. In dieser Zeit nutzte man die Buchrolle eigentlich schon lange nicht mehr, die der viereckige Codex bereits ab dem 4. Jahrhundert ersetzt hatte. Diese Exultet-Rolle stammt jedoch aus Benevent in SĂŒditalien, wo der stĂ€rkere byzantinische Einfluss wohl dafĂŒr verantwortlich war, dass man sich fĂŒr die alt-ehrwĂŒrdige Form einer auch Ă€sthetisch ansprechenden Rolle entschied.
Das Àlteste Exemplar dieses Buchtyps
Die Exultet-Rolle fand in der lateinischen Liturgie zu Beginn der Osternachtfeier Verwendung, indem der Diakon im weiĂen Gewand daraus das âExultetâ (benannt nach dem Textanfang: exultet iam angelica turba caelorum ..., ânun jauchze die himmlische Schar der Engel ...â) vorsang. Die vatikanische Handschrift stellt die Ă€lteste erhaltene Exultet-Rolle dar und stammt aus der sĂŒditalienischen Stadt Benevent, die im FrĂŒhmittelalter kulturell von groĂer Bedeutung war.
Auf der Exultet-Rolle sind sowohl der Text und die Melodie verzeichnet als auch ein Bilderzyklus dargestellt, der das Gesungene illustriert. Diese Bilder geben durch die Vielfalt der Stilformen ein glĂ€nzendes Zeugnis von der schöpferischen Kraft und der groĂen Tradition der beneventanischen Schulen. Die KĂŒnstler zeichnen sich durch hohes zeichnerisches Können und Geschick sowie durch einen phantasievollen Eklektizismus aus. Es wurden stilistische, dekorative und ikonographische Elemente zu einer Einheit zusammengefaĂt, die sowohl aus der Antike als auch aus dem Christentum stammen und von einheimischen sowie östlichen und auch westlichen Motiven entnommen wurden.
Die Rolle als âUrformâ des Buches
Wie uns viele Zeugnisse der Kunst und Literatur kĂŒnden, war die Rolle als Buchform im gesamten Altertum in Gebrauch. Ab dem 4. Jh. trat schlieĂlich der Codex â die heute noch gebrĂ€uchliche Buchform â seinen Siegeszug an und verdrĂ€ngte langsam, aber sicher die Rolle. In der christlichen Literatur allerdings hatte der Codex von Anfang an eine bevorzugte Stellung eingenommen. Die Rolle war dagegen in Anlehnung an antike Vorbilder nur noch in den Darstellungen von Aposteln, Evangelisten, Propheten und Heiligen gegenwĂ€rtig.
In der Liturgie war die Rolle allerdings nicht vollkommen in Vergessenheit geraten, wie uns auch die Exultet-Rolle bezeugt. Möglicherweise liegt hier eine Beeinflussung von Byzanz vor. Denn in der griechisch-orientalischen Kirche gab es immer die Form der Rolle. Da SĂŒditalien und besonders Benevent auf politischem und kulturellem Gebiet mit Byzanz in Verbindung standen, ist eine Anregung von dort ohne weiteres denkbar.
Diese Entwicklung blieb jedoch lokal auf den Bereich Benevents beschrĂ€nkt, wo man sich der Vorteile der Rolle bewuĂt war. Denn indem diese fĂŒr jederman sichtbar abgerollt wurde, konnten alle im Bild deutlich sehen, was in dichterisch gestaltetem Wort und kĂŒnstlerisch geformter Melodie als Höhepunkt der Liturgie der Osternacht verkĂŒndet wurde.
Die kĂŒnstlerische Ausstattung
Ăber den Zeilen des heiligen Textes ist die Melodie in Neumen notiert, nach denen der Diakon seinen Lobpreis sang. Die Bilder sind kunstvolle Federzeichnungen, die von einem Meister in bunten Farben und leuchtendem Gold koloriert wurden. Sie zeichnen sich durch Liebe zum Detail aus und sind durchgehend von dekorativen Rahmen umgeben. Zahlreiche Motive, wie Juwelen, Perlen, FlechtbĂ€nder, Palmetten, Rosetten und Arkaden, beleben phantasievoll das festliche Rahmensystem.
Ein Dokument der frĂŒhmittelalterlichen Osterzeremonie
Die Bilder veranschaulichen den gesungenen Text des Exultet, indem sie diesen getreu der symbolisch-metaphorischen frĂŒhchristlichen Tradition illustrieren. In manchen Bildern finden sich auch heidnische Kultvorstellungen in christlicher Umdeutung, wenn z. B. die Auferstehung des Herrn in der alljĂ€hrlichen Osterfeier mit dem Wiederaufleben der Erde durch Sol, den heidnischen Sonnengott, in Verbindung gebracht wird. Die ganze Natur feiert Auferstehung mit ihrem Herrn, der im strahlenden Glanz einer riesigen Aureole als Licht der Welt, als Sonne der Auferstehung und des Heils dargestellt wird.
Einige Bilder vermitteln uns auch einen lebendigen Eindruck des liturgischen Vorgangs, indem sie diesen detailgetreu wiedergeben. Somit ist die Exultet-Rolle nicht zuletzt wegen des dokumentarischen Wertes ihrer Bilder fĂŒr die Liturgie- sowie Dogmengeschichte von gröĂter Bedeutung.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- Exultet Roll
- Umfang / Format
- 1 Rolle / 708,0 Ă 27,0 cm
- Herkunft
- Italien
- Datum
- 981â987
- Epoche
- Sprache
- Buchschmuck
- 14 Miniaturen mit Flechtwerkrahmen, groĂe Zierinitialen
Exultet Rolle
Das Lamm Gottes mit den Symbolen der Evangelisten
Diese feine Miniatur ist eine Variation des ĂŒblichen "Christus in seiner Herrlichkeit"-Motivs: das Bild eines thronenden Christus in einer Mandorla (einem mandelförmigen Rahmen), der normalerweise einen Codex hĂ€lt, eine Segensgeste macht und von den Symbolen umgeben ist, die die Verfasser der Evangelien von MatthĂ€us, Markus, Lukas und Johannes darstellen. Sie sind durch geflĂŒgelte Lebewesen (Mensch, Löwe, Stier und Adler) vertreten und umgeben hier das Lamm Gottes.
Exultet Roll
Seraphim und andere Engel
Die Seraphim sind Engel, die zum höchsten aller Engelschöre des Himmel gehören. Der Prophet Jesaja beschreibt, wie sie den Thron Gottes umgeben: "Serafim standen ĂŒber ihm. Sechs FlĂŒgel hatte jeder: Mit zwei FlĂŒgeln bedeckte er sein Gesicht, mit zwei bedeckte er seine FĂŒĂe und mit zwei flog er. Und einer rief dem anderen zu und sagte: Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen. ErfĂŒllt ist die ganze Erde von seiner Herrlichkeit.'" (Jes 6,2-3)
Diese Miniatur zeigt zwei Seraphim, die ĂŒber einer Schar von Engeln schweben. Sie sind in reiche, mit Blattgold verzierte GewĂ€nder gekleidet, deren leuchtend blaue Farben in dem Jahrtausend seit ihrer Entstehung verblasst sind. In der Mitte der Seite erhebt einer der Engel ein Horn und blĂ€st, als wĂŒrde er die Ankunft dieser göttlichen Wesen ankĂŒndigen, wĂ€hrend die anderen ihre HĂ€nde zu Lob und Preis erheben.
#1 Exultet Rolle
Details zur Faksimile-Edition:
Sprache: Deutsch
Ein ausfĂŒhrlicher wissenschaftlicher Kommentarband begleitet die Faksimile-Ausgabe. Herbert Douteil beschreibt darin den kodikologischen Befund der Handschrift und stellt sie in den literaturgeschichtlichen Kontext. Felix Vongrey beschreibt und erlĂ€utert ausfĂŒhrlich die Bilder, wobei er sie in ihrem ikonographischen und kunsthistorischen Zusammenhang betrachtet. Eine ausfĂŒhrliche Bibliographie sowie zahlreiche Vergleichsabbildungen ergĂ€nzen den Kommentarband und machen ihn so zu einem wertvollen Begleiter der Handschrift.
Kodikologische und liturgiegeschichtliche EinfĂŒhrung von H. Douteil, Köln. Ikonographische und kunsthistorische EinfĂŒhrung von F. Vongrey, Lilienfeld. 126 Seiten Text, 1 Falttafel und 53 Abbildungen auf 32 Tafeln.
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