Das verschollene Gebetbuch der französischen Königstochter
Das Verschollene Gebetbuch der französichen Königstochter Renée de France entstand etwa um 1517 in Frankreich. Es ist eines der schönsten und kostbarsten Gebetbücher der Renaissance. Die Handschrift besticht besonders durch ihren herausragenden Buchschmuck. Blumendarstellungen aller Art verwandeln die Seiten des Werkes in ein wahres Blumenmeer. Ebenso aufregend wie sein Buchschmuck ist auch die bewegende Geschichte des Codex.
Das Verschollene Gebetbuch der französichen Königstochter
Eine der schönsten illuminierten Handschriften Frankreichs entstand um 1517 in Paris. Es handelt sich dabei um das sogenannte Blumengebetbuch der Renée de France. Das umwerfend schöne Büchlein wurde für die jüngere Schwester der französischen Königin Claude de France hergestellt. Es ist eines der wertvollsten Stundenbücher der Renaissance und betört jeden Betrachter mit seinem aufwendigen Buchschmuck. Das Werk enthält 12 ganzseitige, reich mit Gold versehene Miniaturen. Fünf dieser Miniaturen stellen die Besitzerin des Werkes Renée selbst dar. Alle Textseiten sind mit feinsten kolorierten und vergoldeten Blumenverzierungen geschmückt. 112 bemalte und mit Gold versehene Initialen gliedern den Text des Gebetbuches.
Die Schwester der Königin
Renée de France war die jüngste Tochter des französischen Königs Ludwig XII. und seiner Gemahlin Anne de Bretagne. Während ihre ältere Schwester Claude durch ihre Heirat mit Franz I. Königin von Frankreich wurde, wurde Renée durch ihre Hochzeit mit Ercole II. d’Este, dem Sohn der Lucrezia Borgia, im Jahre 1534 zur Herzogin von Ferrara. Sie nahm ihr Blumengebetbuch mit sich an den Hof von Ferrara, wo es ihr zu ihrer religiösen Bildung dienen sollte. Während der Religionskriege im 16. Jahrhundert rettete Renée mehreren Calvinisten das Leben, und der Hof von Ferrara wurde zum Zufluchtsort für protestantische Gelehrte, darunter Clément Marot und Johannes Calvin. Ihre Sympathie mit dem Protestantismus führte zum Bruch mit ihrem Ehemann, der seit 1545 im Zuge der Gegenreformation in Ferrara die Inquisition durchführen ließ. Renée wurde auch selbst der Häresie angeklagt. 1554 wurde sie unter Hausarrest gestellt und sämtliche ihrer calvinistischen Bücher wurden verbrannt. Nur einige wenige Handschriften, welche als katholisch galten, wurden gerettet. Unter diesen war auch das zauberhafte Blumengebetbuch.
Die geheimnisvolle Geschichte des Codex
Verantwortlich für die Gestaltung des kostbaren Gebetbuches war mit großer Wahrscheinlichkeit der Meister der Claude de France. Dieser Hofkünstler fertigte bereits einige, heute weltberühmte Codices für die junge Königin Claude an. Aufgrund der Ähnlichkeit zwischen den Miniaturen des Blumengebetbuches und beispielsweise der Fibel der Claude geht man bei beiden Werken vom selben Künstler aus. Als die Besitzerin Renée nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1560 Ferrara verließ und nach Frankreich zurückkehrte, musste sie ihr Gebetbuch aus noch heute ungeklärten Gründen in Italien zurücklassen. Es blieb bis in die ersten Jahre des 18. Jahrhunderts in der Biblioteca Estense verwahrt. Zu jener Zeit verschwand die Handschrift auf geheimnisvolle und ungeklärte Weise, um erst 1780 unter mysteriösen Umständen wieder aufzutauchen. Bis 1994 befand sie sich wieder in der Biblioteca Estense. In diesem Jahr wurde das Werk in der Abtei von Montecassino in einer Austellung präsentiert, wo es einem noch immer nicht geklärten Kunstraub zum Opfer fiel. Bis heute blieb das Original des Blumengebetbuchs verschollen.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- The Lost Prayer Book of the French King's Daughter
Libro di Preghiere di Renata di Francia - Umfang / Format
- 52 Seiten / 12,2 × 8,8 cm
- Herkunft
- Frankreich
- Datum
- Um 1517
- Stil
- Sprache
- Buchschmuck
- 12 ganzseitige Miniaturen, 112 Initialen in Gold
- Auftraggeber
- Renée de France
- Künstler / Schule
- Maître de Claude, Königin von Frankreich
Das verschollene Gebetbuch der französischen Königstochter
Stifterportrait
Dies ist eines von fünf Stifterportraits, die man in der Handschrift gefunden hat. Die Anzahl der Bilder, die Renée de France mit Christus und anderen Heiligen zeigen, zog die Kritik der Inquisitoren auf sich, was beinahe zur Zerstörung des Codex geführt hätte. Die französische Prinzessin wird kniend vor ihrem Namensvetter, Bischof René, gezeigt, der in der Art eines Kirchenfürsten der Renaissance prächtig gekleidet ist. Überall funkelt Blattgold: von der Kleidung über die Bank bis hin zu den grünen Kissen im Hintergrund.
Das verschollene Gebetbuch der französischen Königstochter
Bibelschule
Hier haben wir eine intime und kontemplative Szene, die den langwierigen Bildungsprozess des Mittelalters abbildet. Sie zeigt einen Raum voller barfüßiger, angehender Theologen mit Heiligenschein, die mit Federkielen in der Hand Codices und Schriftrollen durcharbeiten. Die Gelehrten haben gerade Nasen, kleine, müde Augen mit Rändern darunter und geschürzte Lippen – einige überprüfen die Arbeit des Kollegen noch einmal.
Die weibliche Figur mit goldblonden Haaren in fließenden weißen Gewändern ist wahrscheinlich die Auftraggeberin des Manuskripts, Renée de France (1510–1575). Ein Schachbrettmuster auf dem Boden in Kombination mit den Linien der Decke zeigt den ausgeprägten Sinn des Künstlers für die Perspektive. Diese gedämpfte Szene wird von einem wunderschönen Blattgoldrahmen mit einem Schmetterling und einem Käfer zwischen Palmzweigen gefasst.
#1 Libro di Preghiere di Renata di Francia
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