Goldene Bulle
1356 wurde das Ă€lteste deutsche Grundgesetz erlassen: die Goldene Bulle. Ihre AusfĂŒhrungsbestimmungen vor allem ĂŒber die Wahl des deutschen Kaisers waren bis ins Jahr 1806 in Kraft. Da ist es mehr als verstĂ€ndlich, dass der von König Wenzel IV. (1361â1419) in Auftrag gegebene Codex prĂ€chtig illuminiert wurde und heute zu einem der schönsten Zeugnisse der böhmischen Buchmalerei gehört. 48 Miniaturen sowie zahlreiche farbige Initialen ziehen den interessierten Blick des Betrachters auf sich. Der DignitĂ€t des Inhalts entsprechend herrscht auch in der Ausgestaltung des Codex ein festlicher Ton: Der Hintergrund der Miniaturen ist entweder mit Blattgold ausgelegt oder farbig und mit Muschelgold damasziert. Das Rankenwerk der Miniaturen besteht aus AkanthusblĂ€ttern in blauer, rosa, grĂŒner und grauer Farbe. Ein böhmischer Prachtcodex König Wenzels, der seiner berĂŒhmten Wenzelsbibel an die Seite zu stellen ist.
Die prachtvollste Ausgabe des Àltesten deutschen Grundgesetzes
Der Wiener Codex 338 ist eine im Jahre 1400 entstandene Abschrift der âGoldenen Bulleâ, deren AusschmĂŒckung mit Buchmalerei von höchster QualitĂ€t ist. Dadurch gilt sie als die schönste Fassung aller erhaltenen Handschriften dieses Textes.
KĂŒnstlerisch gehört die prĂ€chtige Handschrift in die Tradition der böhmischen Buchmalerei. Die insgesamt 48 Miniaturen sowie die zahlreichen farbigen Initialen ziehen den Blick des Betrachters in ihren Bann. Die EbenmĂ€Ăigkeit der Schrift und der Schriftspiegel aller Seiten tragen zur Schönheit der Handschrift bei und bilden zusammen mit den Miniaturen und Initialen ein harmonisches Ganzes.
Auch politisch-geschichtlich ist die Handschrift ein Dokument ersten Ranges durch den Hinweis am Schluss, dass sie im Auftrag des römischen und böhmischen Königs Wenzel im Jahre 1400 entstanden sei. Die feierliche Abschrift sollte den Anspruch Wenzels auf die ihm soeben aberkannte römische KönigswĂŒrde legitimieren und vielleicht auch als wichtigstes Dokument bei den geplanten Verhandlungen mit dem Papst ĂŒber eine Kaiserkrönung in Rom dienen.
Die schönste Fassung der Goldenen Bulle
Den besonderen Reiz der Handschrift ĂŒben die 48 prachtvollen Miniaturen aus. Diese gelten als das Werk eines einzigen Meisters, dessen Name unbekannt ist und der daher als âMeister der Goldenen Bulleâ bezeichnet wird. Es werden Szenen dargestellt, die auf die Kaiserwahl und die AusĂŒbung des Rechtes Bezug nehmen.
Der Hintergrund der Miniaturen ist entweder mit Blattgold aufgelegt oder farbig und mit Muschelgold damasziert. Das Rankenwerk der Miniaturen besteht aus AkanthusblĂ€ttern in blauer, rosa, grĂŒner und grauer Farbe. An den Verzweigungen der BlĂ€tter sind in verspielter Weise oft tropfenförmige Knospen aus Blattgold eingefĂŒgt.
In den Szenen der Goldenen Bulle herrscht ein festlicher Ton. Bezeichnend ist die Vorliebe fĂŒr ĂŒppige FaltengehĂ€nge und rundliche Formen, das volle, lockige Haar und die stark hervortretenden Nasen.
Zur Kennzeichnung von KapitelanfĂ€ngen und einigen AbsĂ€tzen dienen farbige Initialen, die teils mit Gold verziert und von phantasievollen Ranken umgeben sind. Ein Höhepunkt der Initialkunst, fĂŒr die eigene KĂŒnstler zustĂ€ndig waren, wird durch die Aufnahme einer figĂŒrlichen Darstellung erreicht. Somit wird die Initiale in ihrer kĂŒnstlerisch am stĂ€rksten ausgeprĂ€gten Form zur bildlichen Miniatur. Diese Form der Bildinitiale kommt in der Handschrift zweimal vor, beide Male an bedeutender Stelle.
Ein kalligraphisches Meisterwerk
Auch die Schrift des Codex verdient gebĂŒhrende Beachtung. Es handelt sich um eine kalligraphisch schöne gotische Buchschrift (textualis formata oder textura), die von einem namentlich nicht bekannten Schreiber stammt. Die KapitelanfĂ€nge sind jeweils mit roter Tinte hervorgehoben, zu Beginn der Handschrift jedoch in reprĂ€sentativer Weise in goldenen Buchstaben ausgezeichnet.
Eine Geschichtsquelle ersten Ranges
Die Goldene Bulle, die auf zwei Reichstagen in NĂŒrnberg und Metz im Jahre 1356 von Kaiser Karl IV. erlassen wurde, war das wichtigste Verfassungsgesetz des Deutschen Reiches; denn sie wurde zu einem Reichsgrundgesetz, das beinahe ein halbes Jahrtausend â bis 1806 â GĂŒltigkeit behielt. In ihr wurde vor allem die Wahl des deutschen Königs geregelt.
König Wenzel IV., der Sohn Kaiser Karls IV., veranlaĂte aus politischen Ăberlegungen im Jahre 1400 eine Abschrift, die in seiner berĂŒhmten Hofwerkstatt hergestellt wurde. Die lateinische Prunkhandschrift enthĂ€lt auĂer der namengebenden Goldenen Bulle (Aurea bulla imperialium constitucionum) eine Abhandlung ĂŒber die geeignete Zeit zum Italienzug (Tractatus de habilitate temporis ad processum versus Italiam), einen Brief ĂŒber König Wenzel als Nachfolger Karls IV. (Epistola de successore) und ein Verzeichnis von StĂ€dten und Burgen in Tuscien (Civitates et castra). Sie ist das einzige juristische Werk unter den sieben bekannten Codices, die mit Sicherheit aus der einst stattlichen Bibliothek Wenzels stammen und zu denen auch jene berĂŒhmte Wenzelsbibel gehört, welche die Ă€lteste deutsche Prachthandschrift der Bibel darstellt.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- Goldene Bulle des Königs Wenzel
Golden Bull - Umfang / Format
- 160 Seiten / 42,0 Ă 30,0 cm
- Herkunft
- Tschechien
- Datum
- 1400
- Stil
- Sprache
- Schrift
- Gotische Textualis
- Buchschmuck
- Eine groĂe dekorative Seite mit reicher Rahmenverzierung, 50 Miniaturen im Text und zahlreiche Initialen in Gold und Farben
- Inhalt
- Das Hauptverfassungsgesetz des Deutschen Reiches
- Auftraggeber
- Wenzel IV. (1361â1419), König von Böhmen und römisch-deutscher König
- KĂŒnstler / Schule
- Meister der Goldenen Bulle
Goldene Bulle
Ein königliches Fest
Vor einem gemusterten roten Hintergrund, der von Blattgold schimmert, sehen wir zwei Könige mit kunstvollen Kronen und mit Roben, die mit Hermelin besetzt sind, wie sie eine Mahlzeit serviert bekommen. Der junge, glatt rasierte Monarch auf der linken Seite sieht freundlich zu, wie sein Fleisch auf einem goldenen Teller geschnitten wird. Der Ă€ltere bĂ€rtige König auf der rechten Seite zeigt auf einen Diener in GrĂŒn, der eine bedeckte Schale anreicht, die ebenfalls aus Gold besteht. Die Diener werden alle als junge MĂ€nner mit flieĂenden blonden Locken dargestellt.
Goldene Bulle
Steuererhebung
In einem Dokument, das sich mit den Gesetzen des Heiligen Römischen Reiches befasst, ist die Steuererhebung natĂŒrlich ein wichtiges Thema. Hier sehen wir den Herzog von Sachsen zu Pferd in seiner Rolle als kaiserlicher Marschall, erkennbar am Hut und Stab des KurfĂŒrsten. Die MĂ€nner zahlen ihre Steuern âin Form von Sachleistungenâ, und zwar mit Hafer, der in einen Sack gegossen wird.
Man ist sofort von der unglaublichen Farbpalette der Szene beeindruckt: strahlendes Orange und GrĂŒn kontrastiert mit dunklen Grau- und Blautönen. Die Charaktere haben dichtes, lockiges Haar und tragen enganliegende Beinkleider in unterschiedlichen Farben. Der glĂ€nzende Hintergrund ĂŒberstrahlt beinahe die Szene selbst und zeichnet sich durch sein filigranes Blattgoldmuster aus. Auch der minimalistische Rahmen fĂ€llt durch den ĂŒberraschend intensiven GrĂŒnton umso mehr auf.
#1 Die Goldene Bulle
Details zur Faksimile-Edition:
Sprache: Deutsch
Der ausfĂŒhrliche wissenschaftliche Kommentar von Armin Wolf bietet eine ausfĂŒhrliche Geschichte der Handschrift sowie eine detaillierte Beschreibung derselben, wobei der kĂŒnstlerische Schmuck in kunsthistorischer Sicht eingehend kommentiert und interpretiert wird. Weiters legt er die Bedeutung der Handschrift dar, liefert eine umfassende Bibliographie und einen nach vorwiegend rechtshistorischen Gesichtspunkten ausgewĂ€hlten Bildanhang, der zur Rechtsstellung des römisch-deutschen Königs und der KurfĂŒrsten Vergleichsmaterial aus mehreren Jahrhunderten bietet.
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